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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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auch in Anzügen oder Holzfällerhemden. Die wenigen Frauen schattenhaft. Schattenhafter noch als die Tiere, die ebenfalls im Dunklen und Gebückten blieben. Dazu Staub von durchfahrenden Geländewagen und Mopeds.
    Es schien Stransky, als ignoriere man ihn, wie man einen Restaurantgast ignoriert, anstatt ihn rauszuwerfen. Allerdings wurde Stransky durchaus bedient, als er jetzt ein Lokal betrat, eine gut gefüllte Stube. Zwei junge Männer überließen ihm einen Tisch. Er dankte mit seinem Ringlächeln und setzte sich.
    Was er dringend nötig hatte, war Kaffee. Und das war ja wohl ein Ort, an dem man Kaffee bekam. Er bestellte, wobei er es zunächst einmal mit der deutschen Vokabel versuchte. Er rief »Kaffee!«, als schwinge er eine weiße Fahne.
    Plötzlich stand ein Mann neben ihm, ein großgewachsener Weißer mit verlebtem Gesicht, der dem Wirt eine Anordnung gab. Dann wandte er sich Stransky zu und fragte – das Deutsch eines Holländers sprechend –, ob er sich dazusetzen könne.
    »Bitte«, sagte Stransky und wies auf einen freien Stuhl. Dann aber äußerte er: »Meinen Sie denn, ich könnte meinen Kaffee nicht auch ohne Ihre Hilfe bestellen?«
    »Sprechen Sie Arabisch?«
    »Nein, tue ich nicht.«
    »Sie sind unvorbereitet«, bemerkte der Mann mit den blonden, gescheitelten Haaren und den beinahe weißen Augenbrauen.
    »Stimmt«, sagte Stransky, »das bin ich. Obwohl das gar nicht meiner Art entspricht.«
    »Der Rucksack geht okay«, stellte der Mann fest und betrachtete den Hightech-Tornister mit kleinen, müden Augen, die aussahen wie nach zuviel Wüstensand oder zuviel Tränen. Na, es kam wohl eher die Wüste in Frage.
    »Der Rucksack ist erste Klasse«, bestätigte Stransky und überlegte, daß es nie und nimmer ein Zufall sein konnte, daß dieser ältliche Blondling ihn angesprochen hatte.
    Der Kaffee kam. Er wurde in Mokkaschalen serviert, ohne Henkel, ohne Zucker, ohne Milch, dafür aber mit ein paar Kräutern vermengt. Das Zeug roch nach Friedhof, nach europäischem Friedhof, nach Kerzen und Tannennadeln und frischer Erde und Weihrauch und später Einsicht. Und schmeckte ausgesprochen bitter. Bitter und würzig sowie auf eine verschwiegene Weise alkoholisch. Jedenfalls fühlte sich Stransky nach einem ersten Schluck wieder sehr viel mehr als ein richtiger Mensch. Und nicht wie eins dieser Kaninchen in den Labors der Institute. Er war Zoologe, er wußte, wie sich Kaninchen fühlen.
    Er überlegte. Dann griff er nach dem Rucksack, erhob sich und sagte: »Sie entschuldigen kurz.«
    »Toiletten gibt’s hier nicht«, erklärte der Blonde.
    »Ich will nur mal telefonieren«, antwortete Stransky. Das war natürlich ein unheimlicher Schwachsinn. Hier war nicht das Wirtshaus Zu den drei Rüben oder Herthas Kneipe , wo im Extrazimmer noch immer ein Münzapparat hing und man schnell mal zu Hause anrief.
    Doch der blonde Mann nickte mit einem mitleidigen Grinsen und ließ Stransky gehen.
    »Fick dich«, dachte Stransky. So was hatte er schon ewig nicht mehr gedacht. Aber es tat ihm gut, diese kleine Obszönität vor sich her zu sagen. Als sei man in einem Film und ein hartes Wort bereits die halbe Rechnung.
    Aber warum tat er das? Warum flüchtete er vor diesem Mann, anstatt ihn um Hilfe zu bitten? Ihn zumindest zu fragen, wo genau man hier eigentlich war.
    Nun, erstens fand Stransky diesen Mann unsympathisch, und zweitens wähnte er sich noch immer – trotz realer Stadt – in einer Versuchsanordnung. In einer, wenngleich naturalistischen, Laborsituation. Und natürlich ist es so, daß ein Proband sich freier fühlt als ein Nicht-Proband. Freier auch dahingehend, zu flüchten, obwohl sich doch das Gegenteil anbietet. Der Proband nimmt eine Situation nicht ernst. So wenig wie der Wähler eine Wahl.
    Tatsächlich existierte in diesem Lokal weder ein Telefon noch eine Toilette. Stransky gelangte in einen Küchenraum, in dem ein einziger Koch ihn verblüfft ansah und ihn dann fluchend nach draußen verwies. Dabei aber günstigerweise auf eine Türe im hinteren Bereich zeigte, die Stransky jetzt öffnete und einen kleinen, steinernen Hof erreichte. Der Himmel strahlte von sehr weit oben.
    »Nehmen Sie’s nicht persönlich«, sagte eine Stimme von der Seite her.
    »Ich nehme das durchaus persönlich«, antwortete Stransky, verblüfft ob der eigenen Ironie. Immerhin hielt ihm jener blonde, wuchtige Mensch, der ohne jedes Geräusch aus einem winzigen Gäßlein gekommen war, eine Pistole an die Schläfe.
    »Gute

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