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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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daß sich dies alles um einen menschlichen Körper herumwand, ihm auswich, vor Angst oder Ekel, oder einfach aus dem Prinzip heraus, hin und wieder etwas anderes zu tun, als erwartet wurde. Henri Desprez aber kannte sich aus. Und darum rief er jetzt: »Hallo, Kallimachos, lange nicht gesehen.«
    Kallimachos, der neben Stransky und Steinbeck in Deckung gegangen war, natürlich nicht, um sich zu schützen, sondern um sich schweißgebadet zu setzen und zur Ruhe zu kommen, erklärte, eher leise sprechend, aber dank der ausgezeichneten Akustik im Raum gut zu verstehen: »Sie müssen auch überall dabeisein.«
    »Glauben Sie mir«, erwiderte Desprez, »ich wäre lieber in Paris, als mich auf einem falschen Mars mit einer netten deutschen Polizistin zu bekriegen.«
    »Wir wären jetzt alle lieber in Paris«, stellte der Grieche fest.
    »Sie kennen diesen Kerl?« flüsterte Steinbeck.
    »Bevor ich nach Mannheim kam«, erklärte Kallimachos, »war ich einige Jahre in Paris. Dort bin ich Herrn Desprez über den Weg gelaufen.«
    »Über den Weg gelaufen?«
    »Er hat mich verhört.«
    »Wieso das?«
    »Ach wissen Sie, ich stand im Verdacht, nicht der zu sein, für den man mich bis dahin gehalten hatte.«
    »Hat Desprez Sie gefoltert?«
    »Desprez foltert nicht. Er ist ein häßlicher kleiner Technokrat. Wenn die Leute nicht reden, erschießt er sie. Aber die meisten Leute reden wohl.«
    »Und Sie?«
    »Ich kann mir erlauben zu schweigen, wenn ich schweigen will. Es ist das einzige, was ich mir erlauben kann.«
    »Desprez hat auf Sie geschossen, nicht wahr?«
    »Ja. Aber er hat danebengeschossen.«
    »Daneben?«
    »Gewissermaßen. Und damit belassen wir es bitte«, ersuchte Kallimachos, dem die eigene scheinbare Kugelfestigkeit peinlich war. Und noch peinlicher war ihm die Wahrheit, daß ihm die Projektile auswichen wie einem Scheißhaufen.
    Steinbeck nickte.
    Eine Phase des Wartens hatte begonnen. Eine Phase des Nachdenkens und auf Seite von Desprez’ Mannschaft auch der Krankenpflege. Das Ärgerliche für Desprez war nun diese gewisse Einschränkung bei der Benutzung der Waffen. Man hätte Stransky und seine beiden Beschützer einfach mit ein paar Granaten aus ihrem Versteck bomben können. Aber Bomben halfen allein gegen Nebenfiguren. Stranskys Körper jedoch durfte nicht in Fetzen gerissen, verbrannt, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden. Und schon gar nicht jene kleine Batmanfigur als Schlüsselanhänger, welche schön sauber auf Esha Ness’ Tablett zu landen hatte. Oder weiterhin in Georg Stranskys Hosentasche verbleiben würde. Entweder – oder. Aber eben keine Bomben, die anderswo das Töten so einfach machten. Bomben waren die Sofortbildkameras unter den Waffen.
    Es sollte noch einmal gesagt werden, daß Stransky die kleine Batmanfigur ohne eigenes Zutun bei sich trug. Unwillentlich also. Und halb unbewußt. Genau dies hatte auch für die sieben Männer gegolten, die nun bereits tot waren.
    Die Batmananhänger waren Anhänger im wortwörtlichen Sinn. Ein englischer Roboterspezialist hatte sie Anfang der Neunzigerjahre entwickelt. Die Dinger besaßen echte Empathie und speisten ihre Energie mittels der Transpiration jener Person, der sie sich zugehörig fühlten. Energie, die sie benötigten, um flink und behende in die Manteltaschen und Sakkotaschen und Hosentaschen zu schlüpfen, die ihre »Wirte« jeweils benutzten. Ja, man kann sagen, diese Schlüsselanhänger waren freundliche Parasiten, extern und unschädlich. Nicht einmal lästig, weil unauffällig. Bloß hin und wieder mußte sich der betreffende »Wirt« wundern, daß er diese Fledermaus ständig bei sich hatte, ohne daß eigentlich Schlüssel daran hingen und ohne daß man selbst den Anhänger je bewußt eingesteckt hatte. Merkwürdig! Andererseits gab es so vieles, das merkwürdiger schien und gleichzeitig bedeutender. Kein Grund also, sich große Gedanken zu machen und irgendeine Hexerei zu vermuten.
    Mit Hexerei hatte das Ganze auch gar nichts zu tun. Die zehn Figuren von der Größe halber Daumen (mehr als zehn waren es tatsächlich nicht) setzten sich aus einem lebenden Organismus und diversen maschinellen Teilen zusammen und stellten somit etwas dar, was man in einem anderen Zusammenhang als Cyborgs bezeichnete und für eine Utopie hielt. Aber es gab sie. Nicht als Mischung von Maschine und Mensch, sondern als Mischung von Maschine und Käfer. Jener britische Kybernetiker, der bis dahin kleine, freche Robotermännchen entwickelte hatte, war auf

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