Lily und der Major
Lilys Angreifer seine
Hand von ihrem Mund entfernt, stieß sie einen Schrei aus, in der Hoffnung, daß
Velvet ihn auf der anderen Seite des Hügels hören würde.
»Komm, laß uns hineingehen, du und
ich.« Der Anführer ignorierte Lilys Schrei und stieß sie auf die Tür zu.
»Ihr bleibt draußen und haltet
Wache«, befahl er seinen Männern.
Sie knurrten verärgert, gehorchten
jedoch, und Lily wurde von neuer Angst erfaßt, als sie allein mit dem Fremden
im Salon stand.
»Ich heiße
George Baker«, sagte er. »Und Sie?«
»Wir sind nicht auf einer Party, Mr.
Baker«, entgegnete Lily ruhig. »Ich will Sie hier nicht haben.«
Er ging zum Kamin, den Caleb
eigenhändig erbaut hatte, und betrachtete die Fotos auf dem Kaminsims. »Ist das
Ihr Mann?« fragte er und deutete auf das Hochzeitsfoto.
Dumme Frage, dachte Lily und sagte
scharf: »Ja – und er wird gleich hier sein.«
»Allein, vermutlich«, entgegnete
Baker und drehte sich zu Lily um. »Es wird kein Problem sein, ihn zu töten.«
Lily wurde
blaß. »Warum sollten Sie das tun?«
»Weil er bestimmt etwas dagegen
hätte, daß wir seine Frau mitnehmen. Er sieht ziemlich groß aus«, fügte er mit
einem Blick auf das Foto hinzu.
»Das ist
er«, bestätigte Lily stolz. »Und sehr stark.«
Baker lachte und musterte Lily
dreist. »Wenn man so klein und zierlich ist wie Sie, muß einem jeder Mann groß
vorkommen.« Er richtete seinen Blick auf einen schmalen Gang, hinter dem der
Herd zu sehen war. »Die Küche?«
Lilys Miene verriet, was sie von
seiner Frage hielt. »Sie haben es erfaßt«, erwiderte sie spöttisch. »Warum
fragen Sie?«
Baker klatschte sich auf den Bauch.
»Ich würde gern mal wieder etwas Richtiges essen. Gehen Sie in die Küche und
braten Sie mir ein halbes Dutzend Eier.«
Lily glaubte schon fast das Gewicht
ihrer großen Eisenpfanne in der Hand zu spüren. Es zuckte in ihren Fingern, als
sie in die Küche ging.
Sie schürte das Feuer im Herd und
nahm die Pfanne von ihrem Haken an der Wand. Es kostete sie große Überwindung,
die Pfanne auf den Herd zu setzen.
Während sie Eier und Speck, aus der
neuen Kühlbox holte, erklang ein Schuß. Lilys Herz setzte einen Schlag aus,
aber als sie sah, daß Baker sie vergessen hatte und fluchend zum Fenster
rannte, nahm sie sich zusammen. Mit einer stummen Bitte um Zielsicherheit und
Vergebung auf den Lippen schwang Lily die Pfanne und schlug damit, so hart sie
konnte, auf Bakers Hinterkopf.
Er knickte in den Knien ein und sank
geräuschlos auf den Boden. Lily nahm ihm den Revolver ab, zerriß ein Küchentuch
und band ihm Hände und Füße zusammen.
Dann schlich sie mit dem geladenen
Revolver zum Fenster und spähte vorsichtig hinaus. Caleb war zurückgekommen,
aber er war allein und hielt beide Hände über den Kopf, weil die Banditen ihre
Waffen auf ihn richteten. Obwohl er noch auf seinem Wallach saß, breitete sich
ein großer roter Fleck an seiner Schulter aus.
Lily schob das Fenster auf und
zielte auf den Mann mit dem komischen Zylinder. »Lassen Sie die Waffe fallen
und meinen Mann vorbei«, sagte sie mit klarer Stimme, »sonst schieße ich Sie in
tausend Stücke – so klein, daß sie in Ihren Zylinder passen werden!«
Caleb grinste trotz der Schmerzen,
die er haben mußte. Als der Bandit sein Gewehr fallen ließ, stieg Caleb vom
Pferd und hob es auf. Dann kam er durch die Hintertür ins Haus. Falls die
anderen in der Nähe waren, schienen sie es nicht zu wagen, etwas zu
unternehmen.
Nach einem kurzen Blick auf Baker,
der noch immer bewußtlos war, fragte Caleb: »Was ist denn mit dem passiert?«
»Er hat Bekanntschaft mit meiner
Pfanne gemacht«, antwortete Lily, während sie Calebs Wunde untersuchte. »Laß
mich sehen ...«
»Es ist nichts«, sagte er und schob
Lily beiseite. »Wie viele sind es?«
»Vier, glaube ich«, antwortete Lily,
um dann stirnrunzelnd hinzuzufügen: »Außer diesem hier und dem fetten Kerl mit
dem Zylinder.«
»Was wollten sie?«
»Mich«, erwiderte Lily schlicht.
»Das kann ich den armen Kerlen nicht
verdenken«, bemerkte Caleb schmunzelnd und ging zum Waffenschrank, um sich ein
Gewehr zu holen. »Wie schade, daß ich sie nun töten muß.«
»Caleb, du bist verletzt! Laß mich
deine Wunde verbinden.«
»Das kann warten«, antwortete Caleb,
schon auf dem Weg zum Fenster. »Halte dich in Deckung, Lily, bevor dich ein
Schuß von draußen trifft.«
Lily kauerte sich hinter einen
großen Sessel.
Im nächsten Augenblick zersplitterte
das Glas im
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