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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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ich etwas hören, das mich zufriedenstellt, andernfalls sehe ich mich zu einer Kernsanierung gezwungen.«
    Zwei Stunden.
    Was sollte Jericho in zwei Stunden erreichen?
    Hastig packte er Display und Tastatur zurück in den Rucksack, legte einen Geldschein auf den Tisch und verließ das Bistro, ohne hinter sich zu schauen. Mit langen Schritten strebte er dem Fahrstuhl entgegen, fuhr in die Tiefgarage, bestieg das Bike und lenkte es hinaus auf die Liuhekou Lu. Dort startete er es und steuerte die Maschine zum Fluss. Während des kurzen Fluges schwebte ein klobiger Krankentransporter unter ihm, groß genug, dass man auf ihm hätte landen und huckepack reisen können. In der Ferne sah er eine Armada unbemannter Löschdrohnen dem Hinterland Pudongs zustreben. Private Flugmobile kreuzten seinen Weg, über dem Huangpu dümpelten Ausflugszeppeline. Einen Moment lang erwog er, zum WFC zu fliegen und Tu aufzusuchen, doch dazu war es zu früh. Er würde Ruhe brauchen für das, was er vorhatte, außerdem musste er irgendwo unterkommen, solange Kenny ihn der Nestwärme Xintiandis beraubte.
    Und er wusste auch, wo.
    Die Prachtbauten des Bund wurden von einem der eigenwilligsten Hotels Shanghais überragt. Wie eine riesige Lotosblüte, Chinas Symbol für Wachstum und Wohlstand, öffnete sich das Dach des Westin Shanghai Bund Center zum Himmel. Manche fühlten sich an eine Agave erinnert, andere erkannten einen überdimensionalen Polypen, der seine Tentakel ausstreckte, um Vögel und Flugmobile aus der Luft zu filtern. Jericho sah darin lediglich ein Refugium, dessen Geschäftsführer im selben Golfclub spielte wie er und Tu Tian. Eine beiläufige Bekanntschaft ohne den Bonus der Vertrautheit, doch Tu mochte den Mann und pflegte Geschäftspartner bei ihm unterzubringen, denen ein Aufenthalt im WFC und im Jin Mao Tower zu ambitioniert erschien. Auch Jericho war in den Genuss von Sonderkonditionen gekommen, eine Gunst, die er bislang nie genutzt hatte. Jetzt, da er wenig Lust verspürte, von Bistro zu Bistro zu nomadisieren, beschloss er, davon Gebrauch zu machen. Nachdem er das Bike vor dem Haupteingang gelandet hatte, betrat er die Lobby und fragte nach einem Einzelzimmer. Die ins Ambiente integrierten Kameras scannten ihn und leiteten eine entsprechende Information an die Rezeptionistin weiter. Sie begrüßte ihn lächelnd mit Namen, ein Zeichen, dass er schon gespeichert war, und bat ihn, sein Handy auf den Touchscreen zu legen. Der Hotelcomputer glich Jerichos ID mit dem Datenbestand ab, autorisierte die Buchung und lud die erforderlichen Zugangscodes auf Jerichos Speicher.
    »Sollen wir Ihren Wagen in die Tiefgarage bringen?«, fragte die Frau und brachte das Kunststück fertig, lächelnd zu sprechen, ohne dass ihre Lippen einander berührten.
    »Ich bin mit einem Airbike hier«, sagte Jericho.
    »Wir haben ein Flugdeck, wie Sie sicher wissen«, sagte das an den Fixpunkten der Mundwinkel aufgehängte Lächeln. »Möchten Sie, dass wir das Bike für Sie parken?«
    »Nein, das übernehme ich selbst.« Er grinste. »Offen gestanden, ich kann jede Flugstunde brauchen.«
    »Oh, verstehe.« Das Lächeln wechselte von routinierter Höflichkeit zu routinierter Herzlichkeit. »Kommen Sie heil oben an. Nicht vergessen, die Hotelfassade hält mehr aus als Sie.«
    »Ich werde es berücksichtigen.«
    Er verließ die Lobby und ließ das Bike entlang der verglasten Außenwand in die Höhe steigen, in stetiger Gesellschaft seines Spiegelbildes. Erstmals wurde ihm dabei bewusst, dass er keinen Helm trug, wie es die Vorschriften für Airbikes verlangten. Ein Grund mehr, sich von der Polizei fernzuhalten. Fanden die heraus, dass die Maschine nicht auf ihn zugelassen war, würde er mit Erklärungen gar nicht mehr nachkommen.
    Das Parkdeck stand offen und war kaum besetzt, sah man von den hoteleigenen Shuttles ab. Kaum eine Zukunftsprognose des 20. Jahrhunderts war ohne leitstrahlgestützte städtische Individualluftfahrt ausgekommen, in der ganze Levels voller Flugmobile das Stadtbild prägten, doch der Bestand beschränkte sich auf staatliche und städtische Institutionen, einige exklusive Taxiunternehmen und Millionäre vom Schlage Tu Tians. Rein infrastrukturell gab es natürlich etliche Gründe, den Bodenverkehr durch eine luftgestützte Variante zu entlasten, nur dass all diesen Erwägungen ein wahrer Godzilla von Gegenargument zuwiderstand: der Verbrauch. Um der Schwerkraft entgegenzuwirken, bedurfte es leistungsstarker Turbinen und jeder

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