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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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spontanen Impuls auslöste, herbeizueilen und sie aufzufangen. »Wir sind in irgend so einer Karaoke-Bar gelandet, wo sie nur Scheiße spielten, aber Tian und ich haben den Laden trotzdem aufgemischt.«
    Er setzte sich auf die Bettkante. »Ihr habt gesungen?«
    »Und wie.« Yoyo kicherte. »Tian kennt keinen einzigen Text und ich kann alles rauf und runter. Ein paar Typen hingen da rum und meinten, wir sollten mitkommen zu einem Club-Gig. Eine Band namens Tokio Hotel. Ich dachte, es sind Japse! Aber es waren Deutsche, alle schon älter, Rock-Veteranen.«
    »Klingt doch gut.«
    »Ja, aber nach 'ner halben Stunde musste ich aufs Klo, und nirgends war eines zu finden. Also sind wir in die Grünanlagen und von da weiter in die nächste Kneipe, die noch aufhatte. Keine Ahnung, wo.«
    Sie verstummte abrupt und ließ sich neben ihn auf die Bettkante sinken.
    »Und?«, fragte er.
    »Hm. Tian hat was erzählt. – Willst du wissen, was?«
    Plötzlich überkam ihn die idiotische Vision, sie zu küssen und dadurch zu erfahren, was Tian erzählt hatte, einfach indem er es aus ihr heraussaugte. Im heruntergekommenen Zustand ihrer Trunkenheit, schattenhaft, pastös und gewöhnlich, erschien sie ihm noch begehrenswerter als sonst. Die Erkenntnis erblühte in seiner Lendengegend und verwandelte sich in Schmerz, da Yoyo schließlich gekommen war, um zu reden.
    Er fixierte den schimmernden, geschlechtslosen Leib Dianes. Yoyo senkte den Kopf und sog das letzte bisschen Leben aus ihrer Zigarette.
    »Ich würd's dir wirklich gerne erzählen.«
    »Oka-a-a-y-y«, sagte Jericho gedehnt. Eine offene Ablehnung, miserabel codiert.
    »Natürlich nur, falls es dich nicht –« Sie zögerte.
    »Was?«
    »Ist vielleicht doch'n bisschen spät. Oder?«
    Nein, es ist genau richtig, schrie der erwachsene Mann in seinem Kopf, unfähig, den frustgesteuerten Autopiloten abzustellen, der gerade dabei war, Yoyo nach allen Regeln der Kunst auflaufen zu lassen. Sie schauten einander an, über einen gefühlten Grand Canyon hinweg.
    »Also, dann – geh ich wohl besser mal.«
    »Schlaf gut«, hörte er sich sagen.
    Sie stemmte sich hoch. Fassungslos über sich selbst, unternahm Jericho nichts, um sie zurückzuhalten. Sie verharrte einen Moment, schlurfte unschlüssig zum Computer und zurück.
    »Irgendwann werden wir diese Zeit unseres Lebens lieben, die wir heute hassen«, sagte sie mit plötzlicher Klarheit. »Irgendwann müssen wir Frieden machen, sonst werden wir noch verrückt.«
    »Du bist 25 Jahre alt«, sagte Jericho müde. »Du kannst mit allem und jedem Frieden schließen.«
    »Was weißt denn du?«, murmelte sie und floh aus seinem Zimmer.
     

CALGARY, ALBERTA, KANADA
     
    Ein Dobermann, vor der Metzgerei angeleint. So und nicht anders fühlte sich Loreena Keowa, deren Instinkt sie mit untrüglicher Sicherheit nach Peking geführt hatte, zu jener Konferenz, in deren Folge Alejandro Ruiz von der Bildfläche verschwunden war. Sie hatte Witterung aufgenommen, stand kurz davor zuzuschnappen, sich zu verbeißen, doch Susan wollte reden. Wozu? Worüber? Sina durfte ihr bis auf Weiteres nicht mehr helfen, weil Susan Hudsucker von Bedenken befallen war. Welch unsinnige Vergeudung von Chancen und Zeit! Keine Sekunde zweifelte Keowa daran, dass die Gründe für Ruiz' Verschwinden offen zutage träten, würde sie nur die Hintergründe der Konferenz kennen, und dass sich im selben Moment auch das Rätsel um den Mordversuch an Palstein entwirren würde. Sie war so dicht dran!
    Und Susan wollte reden.
    Unlustig tippte sie ein paar Sätze ihrer Moderation für das Erbe der Ungeheuer in den Laptop. Streng genommen war sie auf Sinas Hilfe gar nicht angewiesen. Von Calgary aus hatte sie ebenso Zugriff auf die Datenbanken der Zentrale in Vancouver wie auf ihren eigenen Rechner in Juneau. Wenn sie wollte, war sie die Zentrale. Sie hätte das Netz auf eigene Faust durchforsten können. Einzig der Respekt gebot, sich an die Spielregeln zu halten, und dass Susan Hudsucker ihr bislang noch immer den Rücken freigehalten hatte, wenn es drauf angekommen war. Also gedachte sie die Intendantin mit der Morgengabe eines faktenreichen Treatments – Das Erbe der Ungeheuer, Teil 1: Die Anfänge – wohlwollend zu stimmen, um sie anschließend ins Netz ihrer Passion zu locken, indem sie Fakten präsentierte, die erforderten, Palstein Priorität einzuräumen.
    Keowa klappte den Laptop zu. Sie suchte den Blick des chinesischen Kellners, der hinterm Tresen seine Zeit mit dem

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