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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Vorstellung von Ordnung und Verlässlichkeit an, die auf der nicht verhandelbaren Einhaltung sämtlicher Randbedingungen fußt. In diesem Sinne haben wir eine Vereinbarung getroffen, du und ich.«
    »Soll heißen, du kannst dir jederzeit einen Grund zurechtbiegen, deine Versprechen nicht einhalten zu müssen.«
    »Du bist ein Kleingeist, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    Vogelaar dreht sich um und starrt ihn an.
    »Oh, ich hab schon begriffen, was du meinst! Wie du dich selbst siehst. Könnte das Problem vielleicht darin bestehen, dass deine –«, er vollführt eine kreisende Handbewegung in der Luft, »– universelle Vorstellung von Ordnung auf normale Zeitgenossen nicht anwendbar ist?«
    »Was ist plötzlich los, Jan? Eben warst du cooler.«
    »Ist mir egal, wie du das siehst! Ich will von dir hören, ob Nyela in Sicherheit ist, wenn ich meinen Teil der Abmachung erfülle.«
    »Sie ist mein Unterpfand dafür, dass du deinen Teil erfüllst.«
    »Und dann?«
    »Wie ich vorhin schon sagte –«
    »Sag es noch einmal!«
    »Meine Güte, Jan! Die Wahrheit wird nicht wahrer, wenn man sie wiederholt.« Xin seufzt und richtet den Blick zur Decke. »Aber meinetwegen. Solange Mickey bei ihr ist, geht es Nyela gut und sie ist in Sicherheit. Wenn alles Weitere vereinbarungsgemäß läuft, wird euch beiden nichts geschehen. Das ist der Deal. Zufrieden?«
    »In Maßen. Der Teufel tut nichts ohne Hintergedanken.«
    »Ich weiß deine Schmeicheleien zu schätzen. Jetzt tu mir den Gefallen und beweg deinen Arsch.«
     
    Das Markttor von Milet.
    Xins Worte im Ohr. Was, wenn er jetzt, in dieser Sekunde, umkehrte? Hals über Kopf aus dem Museum rannte, versuchte, das Restaurant vor ihm zu erreichen? Definitiv eine Änderung der Rahmenbedingungen! Dafür allerdings hätte er wissen müssen, wo Xin sich gerade aufhielt. Beim Betreten des Südflügels war er zurückgeblieben. Einmal noch hatte Vogelaar sich nach ihm umgedreht, ohne ihn zwischen den quellenden Besuchergruppen entdecken zu können. Er zweifelte nicht daran, dass der Chinese jeden seiner Schritte verfolgte, doch ebenso wusste er, dass Xin von nun an unsichtbar bleiben würde, bis es so weit war. Im Telephos-Saal saßen Jericho und das Mädchen in der Falle. Er würde sich wie aus dem Nichts manifestieren, zweimal feuern –
    Oder doch dreimal?
    Vertrauen? Misstrauen?
    Xin war nicht normal. Nicht die Wirklichkeit war sein Lebensraum, vielmehr bewohnte er eine Abstraktion der Wirklichkeit. Was dafür sprach, ihm zu vertrauen. Des Irren Ordnung war der Zwang. Vielleicht konnte Xin ja gar keine Versprechen brechen, solange seine Randbedingungen eingehalten wurden.
    Er bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmassen und näherte sich dem Durchgang zum Pergamonsaal, einem kleineren Tor im hellenistischen Ensemble, dessen Fassade offenbar gerade ausgebessert wurde. Um den Blick auf die Architektur nicht verhängen zu müssen, hatte man es mit Glaswänden verschalt. Der künstliche Lichthimmel spiegelte sich darin, die Statuen und Säulen ringsum, die Besucher, er selbst –
    Und noch jemand.
    Vogelaar erstarrte.
    Einen Herzschlag lang war er machtlos gegen die aufsteigende Panik. Klammern schlossen sich um seine Brust, elektrische Felder versetzten die Moleküle seines Unterkörpers in rasendes Kreiseln. Sturzbachartig ergoss sich die Gesamtheit seiner Emotionen in seine Füße, die augenblicklich taub wurden und jede Vorwärtsbewegung einstellten. Anstelle des Entsetzens darüber, was Nyela alles zustoßen mochte, trat die vernichtende Gewissheit, was ihr wahrscheinlich schon zugestoßen war.
    Solange Mickey bei ihr ist, geht es Nyela gut –
    Warum war Mickey dann im Museum?
    Weil Nyela nicht mehr lebte.
    Nur so konnte es sein. Hätte Xin zugelassen, dass sie unbewacht im Restaurant zurückblicb? Wie betrunken ging Vogelaar weiter. Er hatte versagt. Sich der kindischen Hoffnung überlassen, der verrückte Chinese würde sich an Absprachen halten. Stattdessen hatte Xin den Iren ins Museum beordert, um die Arbeit des Tötens aufzuteilen. Das war alles. So wie Nyela von vorneherein keine Chance gehabt hatte, würde auch seine Existenz zusammen mit der Yoyos und Jerichos enden, spätestens in dem kleinen Raum oberhalb des Tempels.
    Der Gedanke hatte etwas von Säure. Er zersetzte die Angst im Nu. An ihre Stelle trat eiskalte Wut. Nacheinander rasteten Überlebensmechanismen ein, vollzog sich die Metamorphose zurück zum Kerbtier, das er die meiste Zeit seines Lebens

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