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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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eine Untersuchung über prodromale Träume an Tuberkulosepatienten durchgeführt«, sagte Dr. Stone, »aber ich finde, er ist zu keinem schlüssigen Ergebnis gelangt. Das Forschungsprojekt, an dem ich in Kalifornien gearbeitet habe…«
    Dr. Stone verstummte, als ich ins Studierzimmer trat. Broun stand auf und begann Papiere und Bücher auf einer Seite seines Schreibtisches zu stapeln, um Platz für das Tablett zu machen. Ich stellte es ab.
    »Dr. Stone wollte mir gerade etwas über sein Projekt erzählen«, sagte Broun.
    »Ja«, sagte Dr. Stone. »Das Projekt, das ich in Kalifornien geleitet habe, umfaßte die Sondierung verschiedener Regionen des Gehirns. Die Sonde produziert eine elektrische Spannung, die einer lokalisierten Gehirnregion einen Stimulus zuführt, und der lediglich örtlich betäubte Patient sagt uns, was ihm gerade einfällt. Manchmal ist es eine Erinnerung, manchmal ein Geschmack oder ein Geruch, manchmal ein Gefühl.
    Die Sondierung erfolgt zufallsgesteuert, so daß innerhalb kurzer Zeit eine große Anzahl von Regionen berührt wird, zu kurz für den Patienten, als daß er individuell auf die Stimuli reagieren könnte. Dann bittet man den Patienten, alles zu beschreiben, was er gesehen hat, und wir vergleichen die Mitschriften dieser Berichte mit Mitschriften von Traumberichten, die mit traditionellen Methoden erhalten wurden. Wir erzielen dabei eine statistisch signifikante Übereinstimmung. Und der interessanteste Aspekt dabei ist, daß der Patient, obwohl wir wissen, daß es keinerlei Beziehung zwischen den Bildern in diesem Bericht gibt, sie alle zu einem zusammenhängenden, erzählenden Traum verbindet.«
    Nun, soviel zu der Idee, Annie einen Arztwechsel vorzuschlagen. Dr. Stone würde ihr vielleicht nicht sagen, daß sie verrückt sei, aber was, wenn er beschließen würde, die beste Methode, die ›wirkliche‹ Bedeutung ihrer Träume herauszufinden, bestünde darin, sie auf einen Operationstisch zu legen und ihren Kopf zu öffnen? Was Annie brauchte, war ein Arzt, der sich ihre Träume anhören und versuchen würde herauszufinden, woher sie kamen, anstatt ihr seine eigenen Theorien überzustülpen, und allmählich begann ich zu glauben, daß es das gar nicht gab.
    »Sie meinen, es kam in Lincolns Gehirn zu einer Art von elektrischer Entladung, und er sah einen Sarg, und dann hat er sich den Rest des Traumes zurechtgelegt?«
    »› Zurechtgelegt ‹ ist das falsche Wort«, sagte Dr. Stone. »Wir sollten daran denken, daß, obwohl sich der Traum im Unbewußten vollzieht, das Erinnern einen bewußten Vorgang darstellt. Der Traum wird ins Bewußtsein übersetzt, und vielleicht ist dieser Übersetzungsprozeß dafür verantwortlich, daß die Träume ihre erzählende Struktur erhalten. Es könnte sich um die gleiche Art von Vorgang handeln, die sich vollzieht, wenn wir einen Film betrachten. Wir sehen einzelne Bilder, aber es sieht so aus, als ob sie sich bewegten. Augenträgheit nennt man das. Vielleicht gibt es ein entsprechendes Trägheitsmoment, das beziehungslose Impulse in den Traum übersetzt, an den wir uns erinnern.«
    Broun schenkte eine Tasse Kaffee ein und reichte sie mir. »Diese Impulse«, sagte er, »wo kommen die denn her?«
    »Die ersten Ergebnisse unseres Projekts deuten darauf hin, daß das Gehirn das Faktenmaterial des Tages für die Speicherung bearbeitet.«
    Broun reichte ihm einen Styroportasse mit Kaffee. »Nehmen Sie etwas dazu?« fragte er.
    Dr. Stone lehnte sich ein wenig vor, wobei er den Ledersessel zum Quietschen brachte, und nahm die Tasse. »Einfach nur schwarz«, sagte er. »Wir haben auch Hinweise darauf, daß äußere Einflüsse erhebliche Auswirkungen auf den Trauminhalt haben. Jeder hatte schon einmal einen Traum, in dem sein Wecker als Schrei oder als miauende Katze oder als das Weinen eines Sterbenden aufgetaucht ist.«
    Broun goß sich selbst Kaffee ein und rührte Sahne hinein. »Und was ist mit wiederkehrenden Träumen?« fragte er. »Nachdem Willie gestorben war, hat Lincoln monatelang von ihm geträumt.«
    »Den gleichen Traum?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Broun. Er setzte die Tasse ab und wühlte in seinen Notizen. »Willies Tod hatte ihn schwer getroffen und verfolgte ihn im Schlaf, bis ihm das Gesicht des kleinen Jungen im Traum erschien und ihn tröstete«, las er laut vor. »Das stammt von Lewis. Und Randall schrieb, er habe geträumt, Willie sei wieder am Leben.«
    »Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß es sich bei den meisten

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