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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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daß er sehr erfahren gewesen war in
solchen Spielchen, als sie beide jung gewesen waren – und in der langen Zeit
ihrer Trennung mußte er diese Fähigkeit noch perfektioniert haben.
    »Iß etwas«,
sagte Jessie sanft und drängte Annabel, den Teller zu nehmen, den sie ihr schon
vorher angeboten hatte. »Du mußt ja halb verhungert sein nach dem Tag, den du
hattest – und du bist bestimmt auch müde.«
    Annabel
hatte keinen Appetit, aber da sie Jessies Freundschaft wollte und eine
Ablenkung von Gabriel benötigte, nahm sie den Teller dankend an. Nicholas, der
etwas anderes oder jemand anderes im Sinn zu haben schien, nahm sich einen Hähn
chenschenkel und ein Stück Kirschkuchen und ging wortlos davon.
    Gabriel lag
noch immer auf der Seite, auf einen Ellbogen gestützt, den Kopf in der Hand.
Annabel wußte, daß er, obwohl er jedem Beobachter ein unverfängliches Bild bot,
an all die Dinge zurückdachte, die sie miteinander getan hatten. Und vor allem
wußte er, daß sie es wußte.
    Jessie
scherzte mit vorbeischlendernden Bekannten und machte hin und wieder eine
Bemerkung, schien jedoch von dem stummen Blickaustausch zwischen ihrem Bruder
und seiner Frau nichts zu bemerken. Sie aß ein Stückchen von dem
selbstgebackenen Kirschkuchen, entschuldigte sich dann und machte sich auf die
Suche nach irgendeiner Freundin.
    Annabel,
die sie lieber in der Nähe gehabt hätte, mußte sich sehr beherrschen, um nicht
Jessies Rocksaum zu packen und sie zurückzuhalten. Sie und Gabriel waren jetzt
allein, denn obwohl praktisch die ganze Stadt anwesend war, schien der Strom
der Feiernden um sie herumzufließen wie Wasser um einen Felsbrocken.
    »Hör auf
damit!« zischte Annabel.
    Gabriel tat
erstaunt. »Was?«
    »Hör auf,
mich mit deinen Blicken zu verführen! Das gelingt dir nämlich nicht!«
    Sein
Gesichtsausdruck hätte für einen Pfarrhof nicht unpassender sein können.
»Nein?«
    »Nein!«
    Er wollte
sie nur quälen, dessen war sie sich ganz sicher. Er hatte ihrer Reaktion auf
seinen Kuß entnommen, daß sie ihn immer noch begehrte, und wenn sie nachgab,
würde er sie ganz ohne Zweifel zum Gespött der Leute machen.
    »Ich
glaube, da irrst du dich, Mrs. McKeige. Aber das werden wir ja sehen, heute
abend, wenn das Fest vorbei ist, nicht?« Er senkte seine Stimme, bis sie nur
noch ein Flüstern war, das ungemein erotisch klang und Erinnerungen an sehr
private Dinge weckte, die sie einst miteinander verbunden hatten. »Keine Sorge,
Annabel. Es ist der vierte Juli heute. Bei diesem Krach wird keiner einen
zusätzlichen Feuerwerkskörper hören ...«

4. Kapitel
    Gegen Nachmittag hatten die jüngsten
Teilnehmer des Picknicks endlich aufgehört, lautstark auf dem Platz
herumzutoben, und hatten sich auf ihren Decken ausgestreckt, um sich ein
bißchen auszuruhen.
    Auch die
älteren Kinder waren stiller geworden. Einige wateten im Bach hinter dem
Pfarrhof, während andere, die dort angelten, sich darüber beklagten, daß sie
mit ihrem Geplansche die Fische vertrieben. Ihre Väter spielten auf der
anderen Seite des Pfarrhofs Karten, legten ihre Röcke ab und knöpften ihre
Hemden auf, während sie blufften, setzten und Whiskeyflaschen und dicke
Zigarren kreisen ließen. Gabriel spielte mit.
    Die Frauen
saßen in kleinen Grüppchen im weichen Gras, unterhielten sich leise und
fächelten sich Luft zu mit einer Sonderausgabe des Parable Testament, die
heute von dem geschäftstüchtigen neuen Herausgeber der Zeitung, Lucius
Wickcomb, kosten los an alle Anwesenden verteilt worden war. Nicholas wußte
noch nicht so recht, was er von Lucius halten sollte; der Mann war nett und
ziemlich anpassungsfähig für jemandem aus dem Osten, aber er stellte eine
Menge Fragen und hatte eine Art, die Leute zu beobachten, die Nicholas als sehr
beunruhigend empfand.
    Nach einer
Partie Poker und um einige Dollar reicher, setzte Nicholas sich auf einen
niedrigen Ast der berühmten alten Eiche, lehnte den Rücken an den Stamm und
ließ ein Bein herunterbaumeln, während er das andere anzog. Dort, im kühlen
Schatten der Eichenblätter, zündete er sich einen dünnen Zigarillo an und
betrachtete nachdenklich seine Mutter.
    Annabel saß
nur wenige Schritte entfernt auf einer Ecke ihrer Decke, die Beine unter den
weiten Röcken angezogen und die Hände im Schoß gefaltet. Sie muß erschöpft
sein, dachte Nicholas, nachdem sie in den letzten Wochen so weit gereist war,
vor allem nach den letzten acht Meilen zwischen Fort Duffield und Parable, die
sie während

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