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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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der Nacht zurückgelegt hatte. Dennoch war ihr nicht die geringste
Müdigkeit anzumerken. Jessie saß mit geschlossenen Augen und einem leisen
Lächeln um die Lippen neben Annabel und fächelte sich unablässig mit der
Zeitung Luft zu.
    Nicholas
drückte den Zigarillo aus und warf ihn fort. Er hatte einiges zu erledigen und
hätte eigentlich längst unterwegs sein müssen. Annabels unverhoffte Heimkehr
war sehr verwirrend; Nicholas war sich noch nicht sicher, ob sie etwas Gutes
oder etwas Schlechtes für ihn oder ihm schlicht egal war.
    Komisch,
dachte er. Als kleiner Junge hatte er nachts oft im Bett gelegen und sich
gewünscht, sie möge auf
der Stelle heimkehren. Er hatte sich so gewünscht, daß sie ihn liebte, daß sie
ihn und seinen Vater liebte, wie andere Mütter und Ehefrauen es taten. Aber sie
hatte nach Susies Tod das Interesse an ihm verloren, wahrscheinlich war er
schlecht weggekommen beim Vergleich mit seiner kleinen Schwester. Er hatte
nie deren sanfte, fügsame Natur besessen.
    Widerstrebend
dachte Nicholas an jene Zeit zurück, in der sich alles so grundlegend verändert
hatte. Nachdem Annabel ihn von Boston heimgeschickt hatte, hatte er Gott
unzählige Versprechungen gemacht. Wenn doch nur seine Mutter in der nächsten
Kutsche säße, lächelnd und voller Liebe für seinen Vater, für die Ranch und
auch für ihn ... würde er in der Schule aufpassen und sich seine Bibelverse in
der Kirche merken, keine Frösche mehr in die Wassereimer in der Arbeiterbaracke
werfen und aufhören, sich Geschichten auszudenken, seine Großmutter habe einen
Indianerhäuptling geheiratet und sei jetzt eine Prinzessin. Denn damals hatte
er natürlich viel weniger gewußt als heute.
    Gott hatte
seinen Teil der > Absprache < nicht eingehalten, aber Nicholas natürlich
auch nicht. Er hatte munter weitergemacht mit all den Streichen, die er so
gerne ausheckte, und Gott hatte Annabel nicht zu ihm zurückgebracht.
    Bis heute.
    Nicholas
seufzte und schlang die Arme um die Knie, legte den Kopf zurück und schloß die
Augen. Nach all diesen Jahren, all diesen Gebeten war Annabel nun endlich
wieder da. Er hoffte nur, daß sie nicht lange genug blieb, um ihn hängen zu
sehen.
    »Nicholas?«
Die Stimme war weich, zögernd und ganz entschieden weiblich.
    Er öffnete
die Augen und sah, daß Callie, die Tochter des Marshals, vor ihm stand.
    »Hallo,
Callie«, sagte er, bemüht, nicht allzu interessiert zu klingen. Sie war ein
nettes Mädchen und so hübsch mit ihrem dichten, braunen Haar und den großen
grünen Augen, daß es ihn manchmal schmerzte, sie nur anzusehen. Aber sie war
jung und ganz bestimmt noch Jungfrau, obwohl andere das Gegenteil behaupteten –
aber nur so lange, bis sie seine Faust gespürt hatten.
    Nicholas
machte seine Eroberungen nicht unter unschuldigen jungen Mädchen, aber er war
ein Mann mit den Begierden eines Mannes. Zuviel Zeit mit Callie zu verbringen,
hieß, mit einer älteren, erfahreneren Frau im Bett zu enden, und dazu hatte er
im Augenblick gar keine Zeit.
    Sie
lächelte ihn auf ihre engelhafte Weise an, die stets sehr gegensätzliche
Wünsche in ihm weckte. »Wirst du heute abend zum Tanz gehen?« fragte sie.
    Er nahm
einen weiteren Zigarillo aus seiner Hemdtasche, und dabei sah er, daß Annabel
zu ihm herüberschaute. Es sprach für seine Mutter, daß sie sich bemühte, ihre
Neugier zu verbergen, und so tat, als hörte sie nicht zu, aber das war bei
einer so kurzen Entfernung praktisch ausgeschlossen.
    »Vielleicht«,
erwiderte Nicholas.
    Callie zog
eine feingezeichnete dunkle Augenbraue hoch. »Dann wirst du also vielleicht
gar nicht erscheinen.«
    »Vielleicht
nicht«, gab Nicholas zu, während er seine Mutter aus dem Augenwinkel
beobachtete. Annabel gab sich die größte Mühe, ihn nicht zu beobachten,
während Jessie in einen jener schnulzigen Liebesromane vertieft schien, die sie
sich stets per Katalog bestellte.
    »Dann macht
es dir bestimmt nichts aus«, meinte Callie.
    Nicholas
richtete sich unwillkürlich ein bißchen gerader auf. »Was soll mir nichts
ausmachen?«
    »Daß ich
mit Jack Horncastle hingehe.«
    Horncastle
war wie Nicholas in Parable in die winzige Schule gegangen, danach aber nach
Illinois aufs College, weil er Anwalt werden wollte, und schließlich
zurückgekommen, ohne überhaupt etwas zu sein. Nicholas, der durch irgendeine
unsichtbare Nabelschnur mit der Ranch verbunden war, hatte nie etwas anderes
gewollt, als zu leben und zu kämpfen, zu lieben und zu sterben – auf dem

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