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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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von einer Sekunde auf die andere aufgetaucht. Die Härchen an
Nicholas' Nacken richteten sich auf – das war seine einzige Warnung – und der
45er in seinem Halfter schien wie von selbst in seine Hand zu springen ... Aber
es war bereits zu spät. Im nächsten Augenblick verwandelte sich der schwüle,
stille Nachmittag in wildes Chaos. Die Tiere, die die Erzkarren zogen, wieherten
und zerrten an ihren Geschirren, während die Fahrer in wütender Verzweiflung
auf sie einschrien.
    Schüsse
knallten aus Revolvern und Gewehren, Kugeln sirrten durch die Luft. Männer
schrien auf in Schmerz und Zorn, und der Staub stieg zu einer großen Wolke
auf, die das Sehen fast unmöglich machte. Und das Atmen.
    Reiter
erschienen rechts und links vom Weg im hohen Gras wie Schlangen, die irgendein
Magier mit seinem Stab berührt und in Männer und Pferde verwandelt hatte, die
nun aus allen möglichen Löchern und Verstecken auf die Straße strömten.
Horncastles Bande kam
aus einer Richtung, der Marshal und seine Posse kamen aus der anderen.
    Nicholas'
Anweisungen waren, unter einem der Wagen Schutz zu suchen, aber er dachte gar
nicht daran zu gehorchen. Als er herumfuhr, um auf Horncastle zu zielen, stieß
der Wallach, den er selbst mit sehr viel Liebe aufgezogen hatte, einen
schrillen Schmerzensschrei aus, brach unter ihm zusammen und riß ihn mit sich
auf den Boden.
    Es gelang
Nicholas, sich blitzschnell zur Seite zu rollen, um nicht unter dem Tier
begraben zu werden, und da das Pferd noch immer vor Schmerz, Angst und
Entsetzen schrie, benutzte Nicholas die Kugel, die für Horncastle bestimmt
gewesen war, um das Tier von seinem Elend zu erlösen. Bevor der Zylinder der
45er sich gedreht hatte und die nächste Kugel in der Kammer war, sah Nicholas
Jack zielen und das Mündungsfeuer aufblitzen.
    Obwohl es
natürlich im Bruchteil einer Sekunde geschah, hatte Nicholas das Gefühl,
hilflos im Weg der Kugel zu stehen und zusehen zu müssen, wie sie auf ihn
zukam.
    Die Kugel
traf ihn unterhalb des rechten Rippenbogens, zerfetzte Haut und Muskeln,
Knochen und Gewebe, und brannte wie eine im Feuer erhitzte Eisenstange ...
    »Nicholas?«
Die Stimme hätte die seiner Mutter oder Jessies sein können, das wußte er
nicht, aber sie riß ihn jedenfalls aus seinem Dämmerzustand. Nicht genug zwar,
um bis zu dieser süßen Stimme vorzudringen – ein fast unerträglicher Schmerz
blockierte ihm den Weg –, aber er empfand das kühle Tuch auf seiner Stirn wie
die zärtliche Berührung eines Engels.
    Er hörte
noch mehr, Worte und Sätze, in verschie denen Stimmen, die vor und
zurückzuschweben schienen, und ihm war, als hörte er sie mit den Augen statt
mit seinen Ohren, als sähe er sie über seinem Kopf hin und her gleiten. Alle
Emotionen hatten ihn verlassen, er war jetzt nur noch ein Beobachter, der keine
eigene Meinung mehr besaß.
    »...
Operation ... viel Blut verloren ...«
    »... was immer
nötig ist ...«
    Nicholas
seufzte innerlich und überließ sich wieder einer segensreichen Ohnmacht.
    Annabel saß in Jessies Haus und drückte
seine Hand an ihr Gesicht und befeuchtete sie mit ihren Tränen. Gabriel stand
hinter ihr, sprachlos und noch immer wie gelähmt vor Angst und vor Entsetzen.
Auch an Susannahs Bett hatten sie einst gemeinsam Wache gehalten und doch den
Kampf verloren.
    Der Arzt,
ein nervöser junger Mann, der irgendwo an der Ostküste aufgewachsen war, hatte
Nicholas' Wunde versorgt, so gut er konnte, und jetzt blieb ihnen nichts
anderes mehr übrig als zu warten, zu hoffen und zu beten. Nicholas war dem Tod
gefährlich nahe gewesen, und er war noch immer in Gefahr, aber zumindest lag
er nun in einem sauberen Bett und hatte ärztliche Betreuung.
    Andere
hatten bei diesem Überfall nicht so viel Glück gehabt wie er.
    Annabel
wußte noch immer nicht genau, was eigentlich auf jener fernen Straße
vorgefallen war, und sie bezweifelte, daß Gabriel es wußte. Ein Teil von ihr
verlangte nach der Wahrheit, selbst während sie Wache am Bett ihres Sohnes
hielt und sogar ihren Puls und ihre Atemzüge den seinen anpaßte, als könne sie
seine Lungen und sein Herz damit ermutigen, ihre Arbeit fortzusetzen.
    Leise
begann Annabel ein Wiegenlied zu summen, das sie Nicholas und Susannah vor
langer, langer Zeit vorgesungen hatte, bevor ihr Stolz, ihre Feigheit und
Verzweiflung sie so weit fortgetrieben hatten. Ihre Tränen strömten unablässig,
als wollten sie nie wieder versiegen, während sie auf ein Zeichen wartete, das
Flattern eines

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