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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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sich dann ab, um hineinzugehen und nach Nicholas zu
sehen.
    Er war
schon eine ganze Weile bei ihm, bevor ihm zu Bewußtsein kam, daß Annabel ihm
nicht ins Haus gefolgt war.
    Annabel
betrat den Saloon
über die Hintertreppe, ohne die schockierten Gesichter der Angestellten und der
Gäste zu beachten, die ihr auf dem Korridor im ersten Stock begegneten.
    Es war
möglich, daß Julia Sermon sie vom Fenster aus gesehen hatte, oder vielleicht
war jemand mit der Nachricht zu ihr gelaufen, daß Gabriel McKeiges Frau sich
auf dem Weg zu ihr befand. Wie dem auch sei, es war nicht wichtig. Annabel
hatte keine Kraft mehr, sich den Kopf darüber zu zerbrechen; jede Sekunde, die
sie nicht an Nicholas' Bett verbrachte, war unendlich kostbar für sie und teuer
erkauft mit ihrem eigenen Seelenfrieden. Deshalb war sie froh, als die
Bordellbesitzerin ihr auf halbem Weg entgegenkam.
    Annabel
hatte Julia noch nie aus der Nähe gesehen und wäre unter anderen Umständen
vielleicht bestürzt gewesen über die aparte Schönheit und stolze Haltung dieser
Frau. Doch so, wie die Dinge lagen, sagte sie nur: »Könnten wir uns irgendwo in
Ruhe unterhalten?«
    »Selbstverständlich«,
erwiderte Julia, und ihre braunen Augen schimmerten vor Mitgefühl. Sie hatte
natürlich von der Schießerei gehört; derartige Neuigkeiten verbreiteten sich
mit der Schnelligkeit eines Buschfeuers in Kleinstädten wie Parable.
    Sie wandte
sich ab und ging zu einer anderen, schmaleren Treppe voran, führte Annabel dann
in ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer.
    Als Julia
ihr anbot, Platz zu nehmen, schüttelte Annabel in höflicher Entschiedenheit den
Kopf. Doch selbst in ihrer Aufregung und Verwirrung fiel ihr auf, daß ihre
langjährige Rivalin ein schlichtes, hochgeschlossenes Kleid aus braunem Satin
trug und ihr Haar zu
einem losen Knoten aufgesteckt hatte. Keine durchsichtige Seide, Spitze oder
Taft, wie solche Frauen sie angeblich trugen.
    Julia
lächelte freundlich. »Ich schätze, ich bin so gar nicht das, was Sie erwartet
hatten.«
    »Nein«,
antwortete Annabel ehrlich. Sie dachte an Nicholas, fühlte sich wie durch eine
unsichtbare Nabelschnur zu ihm hinübergezogen, aber sie konnte nicht anders,
als sich Gabriel in diesem hübschen, ausgesprochen femininen Zimmer vorzustellen.
Die Sessel schienen viel zu klein und zierlich, die Tische zu zerbrechlich und
die Couch zu kurz für ihn.
    »Ich habe
gehört, was Ihrem Nicholas zugestoßen ist. Es tut mir leid«, sagte Julia.
    Annabels
Kehle wurde eng, und sie schloß die Augen, um ihre Tränen zu verdrängen.
»Danke«, erwiderte sie. »Aber ich bin nicht gekommen, um über meinen Sohn zu
sprechen. Es geht um meinen Mann.«
    Julia
runzelte die Stirn. »Das ist doch wohl kaum der richtige Moment, Mrs. McKeige
...«
    »Es ist der
einzig richtige, Miss Sermon«, versetzte Annabel. »Sie sind Gabriels beste
Freundin, und er ist Ihr Freund. Er braucht Sie jetzt.«
    Julia
wandte für einen Moment die Augen ab, und als sie Annabel wieder anschaute,
verriet ihr Blick Verwirrung. »Ich werde nicht so tun, als läge mir nichts an
Ihrem Ehemann«, sagte sie. »Und ich kann auch nicht behaupten, daß ich
verstehe, was Sie von mir wollen. Gabriel und ich hatten nie eine ... eine
eheähnliche Beziehung.«
    »Wenn ich
gedacht hätte, daß es so gewesen wäre«, antwortete Annabel, »wäre ich mit einem
Gewehr gekommen.« Impulsiv ging sie zu Julia und ergriff mit beiden Händen ihre
Hände. »Nicholas ist Gabriels einziger Sohn, und Gabriel liebt ihn mehr als
sein eigenes Leben. Er muß mit jemandem darüber sprechen, wie sehr er leidet,
aber er wird es weder mir noch Jessie anvertrauen, weil er glaubt, er müsse für
uns stark sein. Gabriel sagte mir, Sie besäßen die Gabe zuzuhören, und daß er
sehr oft Trost im Gespräch mit Ihnen fand. Ich bitte Sie, ihm auch jetzt zu
helfen. Tun Sie es für ihn – und auch für Nicholas.«
    Tränen
glitzerten in Julias langen Wimpern. »Wenn Sie es wirklich wollen ...«
    Annabel
unterbrach sie, indem sie ungeduldig nickte, und zog sie an der Hand zur Tür.
    Julia
wischte sich die Tränen ab, schüttelte verwirrt den Kopf und ließ sich dann von
Annabel hinausführen.
    Zusammen
gingen sie hinunter, diesmal über die Haupttreppe, die in den Saloon führte,
durchquerten den verrauchten Saal und traten durch die Schwingtür auf die
Straße. Annabel spürte all die neugierigen Blicke, aber sie beachtete sie
nicht, denn im Augenblick kannte sie keine andere Sorge als Nicholas

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