Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
Vom Netzwerk:
und
Gabriel.
    Jessie
stand auf der Veranda, als sie ihr Haus erreichten, und war so verblüfft über
ihr Erscheinen, daß sie sich an den Hals griff und große Augen machte. »Mein
Gott«, murmelte sie, trat aber beiseite, um Julia vorbeizulassen.
    Nachdem
Annabel Julia in das Arbeitszimmer geführt hatte, bot sie ihr Tee oder Sherry
an.
    Nervös, wie
sie war, bat Julia um Sherry und begann mit dem Glas in der Hand eine unruhige
Wanderung durch das Zimmer, als Annabel sie allein ließ, um in den ersten Stock
hinaufzugehen.
    Nicholas'
Zustand hatte sich nicht verändert, aber seine bandagierte Brust hob und senkte
sich unter seinen gleichmäßigen Atemzügen, und für den Augenblick war das
genug.
    Olivia saß
an seinem Bett, eine Hand auf seiner Stirn und die andere auf seinem Arm.
Gabriel stand und starrte auf seinen Sohn herab, als könne er ihm so etwas von
seiner eigenen Kraft vermitteln und ihn zwingen, sich am Leben festzuklammern.
    Annabel
sagte nichts, schaute Gabriel nur an, und nach einer Weile spürte er ihren
Blick und schaute auf. Die nackte Qual, die sie in seinen Augen sah, zerriß
ihr fast das Herz.
    Olivia
schien sich ihrer beider Anwesenheit gar nicht bewußt zu sein; ihre ganze
Aufmerksamkeit galt Nicholas. Und das ist auch ganz gut so, dachte Annabel,
denn die Lehrerin war vermutlich der einzige Mensch in dieser Stadt, der nicht
wußte, daß Annabel gerade in ein Bordell gegangen war, um die angebliche
Geliebte ihres Mannes herzuholen.
    »Unten im
Arbeitszimmer ist jemand, der dich sprechen möchte«, sagte Annabel.
    »Dann soll
er wieder gehen«, erwiderte Gabriel schroff.
    »Das wäre
ausgesprochen unhöflich. Denn schließlich war es meine Idee, sie herzubitten,
und nicht ihre eigene.«
    Gabriel
erblaßte. »Julia?« fragte er ungläubig. Annabel nickte.
    Anstatt
froh zu sein oder erleichtert, wie Annabel erwartet hatte, reagierte Gabriel
mit Fassungslosigkeit und Ärger. »Allmächtiger!« zischte er. »Du hast doch
nicht etwa jemanden nach ihr geschickt?«
    »Nein«,
erwiderte Annabel ungerührt. »Ich bin selbst hingegangen, um sie zu holen.«
    Gabriel
beugte sich über Nicholas und berührte zärtlich seine Wange, bevor er ohne ein
weiteres Wort oder einen Blick für Annabel hinausging und nicht allzu sanft die
Tür hinter sich zuzog.
    Julia, fiel Gabriel auf, versuchte weder,
ihn zu berühren, noch kam sie ihm entgegen. Sie stand nur da und schaute ihn
mitleidig an, als er ins Arbeitszimmer kam, wo sie auf ihn wartete.
    »Es tut mir
so leid«, sagte sie.
    Auch
Gabriel näherte sich ihr nicht, zog aber die Tür zu und lehnte sich dagegen.
»Annabel hätte dich nicht herbringen sollen«, meinte er, nachdem er ihre
mitfühlenden Worte mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis genommen hatte.
    »Ich weiß«,
erwiderte Julia mit dem Anflug eines Lächelns. »Aber Mrs. McKeige scheint zu
glauben, daß meine Anwesenheit dich trösten könnte.«
    Gabriel
seufzte. »Vor einer halben Stunde dachte ich das auch noch«, sagte er. Er war
immer ehrlich zu Julia gewesen und sie zu ihm. Diese Offenheit hatte ihnen ihre
unkonventionelle Beziehung sehr erleichtert. Beide waren von Ereignissen in
ihrem Leben sehr verwundet worden und hatten Trost, wenn nicht sogar Heilung,
im Verständnis des anderen gefunden.
    »Und
jetzt?«
    »Jetzt
suche ich keinen Trost mehr. Es ist mein Sohn, der dort oben liegt und mit dem
Tod ringt. Warum sollte ich etwas anderes als Schmerz und Zorn und Trauer
verspüren – und mehr Angst, als ich je geglaubt
hätte, ertragen zu können, ohne den Verstand darüber zu verlieren?«
    »Das ist
eine gute Frage«, sagte Julia. »Du hast jetzt Annabel, und so sollte es auch
sein. Was mich betrifft, so kann ich dir nur sagen, daß ich allmählich von dieser
kleinen Stadt genug habe und bereit bin fortzugehen. Denn mir scheint, daß wir
beide einander nicht mehr länger nötig haben.«
    Gabriel
schloß für einen Moment die Augen. »Ich bin dir sehr, sehr dankbar, Julia«,
erwiderte er und meinte es auch so. Sie hatte ihm in so manchen schweren
Augenblicken seines Lebens beigestanden und ihm Trost vermittelt. Aber wieviel
Leid hätte er sich und allen anderen ersparen können, wenn er nicht vor zwölf
Jahren bei ihr Trost gesucht hätte, anstatt Annabel und Nicholas
nachzureisen und sie heimzubringen! »Und es tut mir leid.«
    »Was?«
fragte Julia, und es klang aufrichtig erstaunt. »Du hast dich um mich
gekümmert, als ich ein kleines Mädchen war. Du hast dafür gesorgt, daß mein
Vater mir

Weitere Kostenlose Bücher