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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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es auch nicht so schlimm war, dass in unserer WG -Küche rund um die Uhr irgendwelche Nervbacken rumsaßen, die einen konsequent von allem, was auch nur ansatzweise wichtig war, abhielten. Und dass unsere stets einsatzbereite Bierzapfanlage nicht dazu geführt hat, dass jeder zweite Tag im bräsigen Gemütlichkeitsdelirium endete. Aber ich sollte mich da wirklich mal zusammenreißen. Das ist jetzt einfach eine andere Lebensphase.  
    Und es ist auch nicht so, dass ich keinen Kontakt mehr zu meinen ehemaligen Mitbewohnern hätte. Tobi sehe ich sowieso mindestens jeden Montag im Valentin, mit Reto gehe ich regelmäßig in die Philharmonie, wo seine Freundin Flöte spielt, und mit Gonzo und Francesco habe ich erst vor zwei Wochen Hendrik in seiner Land- WG besucht, und eine WG -Party steht auch bald wieder an. Trotzdem, ich bin viel zu viel allein. Am Ende werde ich mir womöglich noch einen Hund anschaffen.  
    Wenn nur die anderen Ex- WG -Jungs nicht alle bis auf Gonzo schon mit ihren Freundinnen zusammenwohnen würden. Dann könnten wir uns überlegen, ob wir uns nicht wieder gemeinsam was suchen. Irgendwas mit mehr Komfort, aber trotzdem Flair und, ganz wichtig, Türsteher gegen lästige Dauergäste. Aber so, wie es aussieht, habe ich wohl erst mal keine vernünftige Alternative zu meiner gut geschnittenen Luxushölle. Ich meine, hallo? Ich kann mir doch nicht mit Anfang 30 wieder eine neue WG suchen. Die lachen mich doch aus …  
    Oh!  
    »Hallo Sie, ja, Sie … Jetzt warten Sie doch einen Moment. Hallo!«  
    Keine Chance. Er ist sofort in der nächsten Seitenstraße verschwunden, als er mich gesehen hat. Kein Wunder. Er hat bestimmt gleich erkannt, dass ich der war, der ihn neulich am ersten warmen Frühlingstag, der natürlich ausgerechnet ein Montag sein musste, in der Bierausgabeschlange im Prater zur Seite geknufft hat. Klar, er hatte sich vorgedrängelt. Allerdings war ich mir am nächsten Tag nicht mehr sicher, ob es wirklich Absicht war. Und ich war mir auch nicht mehr sicher, ob die Kraftausdrücke, mit denen ich ihn beleidigt habe, sexueller Natur oder mehr so allgemeine Grobheiten waren. Jedenfalls, mein Gesicht vergisst der im Leben nicht mehr. Ob er hier wohnt? Muss ich mal drauf achten. Vielleicht kann ich ihm hinter einer Ecke auflauern und mich dann entschuldigen.  
    Fünf Minuten später lehne ich mein Fahrrad an die Hauswand neben dem Valentin. Wieder einmal trete ich ein und freue mich, dass alles so ist wie immer. Ich nicke Gio zu, und er beginnt sofort, sich um meinen Kaffee zu kümmern. Ich nicke meinem Tisch zu, der zwar nicht reagiert, sich aber sicher trotzdem über das Wiedersehen freut. Ich fege mit zärtlicher Geste ein paar Zuckerkrümel von meinem Stuhl. Alles ist fein. Nur eins überrascht mich: Anton ist nicht da.  
    Aber, ganz ehrlich, was macht das eigentlich? Träume ich nicht schon lange davon, endlich mal einen Dienstagnachmittag ohne anstrengende Erörterungen mit diesem naseweisen Knirps zu verbringen? Einfach in aller Stille meinen Kaffee zu trinken, in diesem eigenartig-wunderbaren Geschmack von Holz-Erde-Nuss zu versinken und die Sonnenstrahlen durch die Scheibe hindurch mein Gesicht streicheln zu lassen, so wie alle? Nein, ich werde nicht darüber nachdenken, warum er nicht hier ist. Es geht mich nichts an und es interessiert mich nicht.  
    Ich puste, trinke den ersten Schluck und finde, dass der Kaffee auch schon mal besser war. Egal. Ich werde die Zeit nutzen. Vor lauter Nachdenken über den Zopfmädchentraum bin ich immer noch nicht dazu gekommen, mir zu überlegen, was ich mit der Frau mit dem Rollkoffer reden soll, wenn ich mich nächsten Donnerstag wieder ins Coffee & Bytes setzen werde.  
    Das ist ein richtig haariges Problem, wenn man genau drüber nachdenkt. Was sage ich, wenn sie mich fragt, warum ich schon wieder dort rumsitze? Womöglich denkt sie noch, ich will sie stalken … Hm, vielleicht gar keine schlecht Idee. Die ganze Zeit einfach in ihrer Nähe sein. Mmh … Wenn ich nicht genau wüsste, dass man so was nicht macht … Aber ich schweife ab. Ich brauche einen Plan … Ja, verdammt, ich gebs zu, wäre toll, wenn Anton jetzt hier wäre. Nicht, dass er was von diesen Dingen versteht, aber ich kann besser denken, wenn ich es ihm gleichzeitig erklären muss …  
    Ha, ich habs. Ich stelle mir einfach vor, der Zuckerstreuer wäre Anton. Um es noch glaubwürdiger zu machen, drehe ich ihn so, dass die Schüttöffnung in meine Richtung schaut.

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