Linksträger: Roman (German Edition)
ganz einfach mit der Karmaschere.«
»Mit der was?«
»Mit der Karmaschere. Mit ihr können Sie alle schlechten Einflüsse einfach abschneiden und so von sich fernhalten. Damit kappen Sie die negativen Einflüsse von Energieräubern. Das können Sie auch im Alltag anwenden. Sehen Sie?«
Und wieder folgt ein Schnipp im Vorhof meiner Pupille.
»Energieräuber?«, wiederhole ich kurz.
»Ganz genau, diese Personen lauern im Alltag überall. Sie saugen uns aus. Krallen sich wie Blutegel in unsere Psyche und versuchen, unsere Energie zu stehlen.«
»Du lieber Himmel, das klingt ja furchtbar.«
»Aber Sie haben ja zum Glück die Karmaschere. Damit können Sie diese Verbindungen symbolisch abschneiden. Gerade wie eben, wenn negative Energie um sich greift. Ahmen Sie einfach heimlich eine Schere mit Ihren Fingern nach und zerstören Sie dieses unsichtbare Band. Kommen Sie, probieren Sie es.«
Jana und ich sitzen wie zwei DINGSDA -Kinder nebeneinander und haben keine Ahnung, was hier gerade mit uns passiert. Doch noch bevor wir intervenieren können, halten wir jeweils unsere rechte Hand in Brusthöhe und imitieren den Schneidevorgang einer Haushaltsschere.
»Nein.« Frau Kuhlig-Semmrau winkt amüsiert ab. »Sie müssen es mit voller Überzeugung tun. Sprechen Sie den Schnitt ruhig mit aus. Das hilft am Anfang. Sagen Sie laut Schnipp .«
Wir schnippen um die Wette und verbringen so einige Minuten in andächtiger Beschneidung. Nach zehn Minuten haben wir erfolgreich einige Quadratmeter Raumluft zerschnitten und ergänzen unser Werk jedes Mal mit einem laut und deutlich ausgesprochenen Schnipp .
Frau Kuhlig-Semmrau dirigiert uns dazu.
»Zwei, drei und … Schnipp !«
Wir schnippen im Takt unserer Mentalschneiderin und finden mit der Zeit sogar ein wenig Gefallen daran.
»Schnipp.«
5 Der Hormon-Dämon
D iese Scheißgurke!«
Nach der nächtlichen Einkaufstour, dem Zerschneiden von mehreren Kubikmetern Luft und einer Wiedergeburt als Kackwurst eines tibetischen Hochlandrinds habe ich meines Erachtens einen gewissen Anspruch auf Schlafausgleich. Also habe ich mich nach unserem Besuch bei Frau Kuhlig-Semmrau für ein Mittagsschläfchen zurückgezogen. Doch Jana bringt augenscheinlich wenig Mitgefühl für mich auf und wiederholt stattdessen lauthals den ihres Erachtens mangelhaften Zustand der Tankstellen-Spreewaldgurken.
»Diese Scheißgurke!«
»Was ist denn jetzt schon wieder los, Jana?«, rufe ich genervt aus dem Schlafzimmer. »Es sind die falschen, ich weiß. Aber musst du so eine Szene daraus machen?«
»Nein, das ist es nicht. Das heißt, eigentlich schon … Ich wollte Spreewaldgurken und nicht so einen billigen Abklatsch. Aber das ist mir gerade egal, ich hätte jetzt eigentlich sowieso eher Hunger auf Chips mit Senf und …«
»… Nutella?«, frage ich nach und denke an Silke, das alte Tankstellen-Orakel.
»Nutella?« Jana steckt verwundert den Kopf zu mir ins Zimmer. »Wie kommst du denn darauf?«
»Ach, nur so.«
»Komische Idee. Aber jetzt, wo du es sagst. Klingt gar nicht so unlecker.« Sie zieht sich wieder zurück und stapft in die Küche. »Jedenfalls meine ich eine andere Gurke. Eine ganz andere. Ach, was sage ich: die schlimmste Gurke von allen!«
Ziemlich ermattet schleppe ich mich aus dem Schlafzimmer nach nebenan in die Küche zum Epizentrum des Fluchens, wo Jana zwischen einer Tasse Rinderbrühe, einem Gurkenglas und einer Packung Zwiebelringen sitzt. Ich löse mir ein Aspirin C in einem Glas Wasser auf. Die nächtlichen Fahrten zehren an meinem Körper. Und auch meine Wiedergeburt aus einem Yakhintern hat kräftemäßig Körner gekostet.
Außerdem habe ich keine Ahnung, wie viel Uhr wir haben und wie lange ich geschlafen habe.
»Wie spät ist es denn?«
»Halb vier.«
»Halb vier mittags?«
»Natürlich mittags.«
»Wow, dann habe ich zusammen mit den drei Stunden heute Nacht ja immerhin dreieinhalb Stunden geschlafen.«
Jana unterbricht ihre Hasspredigt und schaut mich aus großen Augen an. »Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was da manchmal in mich fährt.«
»Das kann ich dir sagen. Du bist besessen.«
»Besessen?«
»Ja, ein Dämon hat von dir Besitz ergriffen und bricht jedes Mal aus dir heraus, wenn du einen Hormonschub bekommst.«
»Du Spinner, darüber macht man keine Scherze.«
»Das ist kein Scherz. In dir wohnt ein Hormon-Dämon. Ich werde ihn beim nächsten Mal mit Weihwasser und Testosteronpflaster bekämpfen.«
Bei dem Wort Weihwasser bespritze ich Jana
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