Lions - Hitze der Nacht
Marissa stand auf und wollte gehen. Brendon nahm sie am Arm.
»Er ist unser kleiner Bruder, Rissa. Wir beschützen ihn, wie wir einander beschützen.«
»Er ist ein Dieb und ein Lügner, und er hängt mit dem Abschaum herum. Er ist nicht unser Problem. Willst du jetzt eine Limo oder nicht?«
»Nein.«
»Na schön.« Sie entzog ihm ihren Arm, ging in die Küche und kam mit einem Sprite zurück. »Willst du etwas zu essen?«
»Nein.«
»Wenn du nein sagst, weil du schmollst, kannst du genauso gut gleich aufgeben, denn am Ende wird dein Hunger siegen. Er siegt immer.«
Verdammt. Sie hatte recht. Brendon fühlte sich ausgehungert, als hätte er schon seit Monaten nichts mehr gegessen, und nicht erst seit ungefähr einem Tag.
»Na gut. Ich esse. Aber ich finde trotzdem, dass du gefühllos bist.«
Marissa machte aus der Küche ein ungeduldiges Geräusch. »Warum? Weil ich wegen Mitch nicht weine und in Panik verfalle?«
Brendon folgte ihr hinein. »Ja.«
»Das nennt sich liebevolle Strenge. So solltest du das sehen.«
»Nein. Es nennt sich den eigenen kleinen Bruder im Stich lassen.«
»Der Kleine ist ein Versager. Er war immer ein Versager. Das wird sich nicht ändern.«
»Er ist immer noch unser Bruder.«
»Leider.«
Brendon schüttelte den Kopf. »Gib’s auf, Schwesterchen. Ich glaube, du machst dir schon Sorgen, aber du willst es mir nicht zeigen.«
»Ich mache mir um wenige Dinge auf der Welt Sorgen. Du hast Glück, dass du eines davon bist, aber weiter kann ich nicht gehen.«
Brendon setzte sich an ihren Küchentisch und schaute aus dem großen Panoramafenster mit der Wahnsinnsaussicht auf die Skyline von Manhattan. Rissas Apartment nahm das ganze obere Stockwerk ein, aber ihr gehörte das ganze Gebäude. Es erstaunte Brendon immer noch, wenn er daran dachte, woher sie kamen, und an ihr Leben in Philadelphia. Sie waren beide ständig in Situationen geraten, für die sie wahrscheinlich eine Weile hätten im Knast sitzen sollen. Oder zumindest Sozialstunden ableisten. Sie redeten nicht mehr über diese Zeit. Manchmal schien es, als wolle Rissa gern so tun, als hätte es diese Zeiten nie gegeben. Als wären sie und Brendon irgendwie anders als Mitch. Sie waren anders. Sie hatten Glück gehabt.
»Ich gebe ihn nicht auf.«
»Wie schön für dich.« Sie knallte einen Teller selbstgemachte Lasagne vor ihn auf den Tisch. »Hier. Die habe ich gestern Abend gemacht. Damit müsstest du versorgt sein, bis ich die Rippchen fertig habe, die ich im Kühlschrank habe.«
»Danke.« Brendon nahm seine Gabel und genoss das köstliche Essen. Er war so konzentriert auf sein Essen, dass er einen Moment brauchte, bis er spürte, wie seine Schwester ihn auf den Scheitel küsste.
Er sah von seinem Essen auf. »Wofür war das?«
»Dafür, dass du dich nicht umbringen lassen hast. Versuche mir zuliebe, das auch weiterhin so zu halten, okay?«
»Mal sehen, was ich tun kann.«
Brendon beugte sich wieder über sein Essen und verbarg sein Lächeln vor seiner Schwester. Sie sorgte sich doch. Mehr, als sie wollte. Um ihn und Mitch.
Kapitel 4
Ihr Plan war ganz simpel gewesen: Den Abend mit den anderen Wölfinnen verbringen. Ein oder zwei Bier trinken und sich entspannen. Aber dieser fünfte Tequila … dieser fünfte Tequila gab ihr den Rest.
Sie hätte es besser wissen müssen. Wölfe vertrugen keinen Alkohol. Man konnte es ihr Kryptonit nennen. Hätte Ronnie Glück gehabt, hätte sie die ganze Nacht auf der Toilette irgendeines schicken Clubs damit verbracht, sich zu übergeben. Das Glück schien allerdings in letzter Zeit nicht auf ihrer Seite zu sein. Denn wenn sie Glück gehabt hätte, wäre sie nicht mehr in der Lage gewesen zu sprechen.
»Ich meine, diese Mähne! Ich könnte ihn stundenlang mit dieser Mähne meinen ganzen Körper streicheln lassen.«
Die drei anderen Wölfinnen und Sissy nickten. Sie hatten die anderen fünf irgendwann früher am Abend verloren, als sie in einen anderen Club oder zurück ins Hotel gegangen waren.
»Der Mann ist umwerfend, so viel ist sicher.« Sissy Mae goss Ronnie noch einen Tequila ein. »Was ich nicht verstehe, ist, warum du den Schritt nicht gemacht hast, Schätzchen. Du hattest dieses große Haus ganz für dich und einen nackten Mann, der dir unbedingt an die Wäsche wollte.«
»Ein nackter Mann, dem es hundeelend ging. Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass ich am nächsten Morgen mit dem Katzenjammer hätte umgehen können, wenn ihm klar geworden wäre, dass er
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