Lippels Traum (German Edition)
tun hatte. Aber Asslam konnte ja nicht reden. Er konnte nur hoffen, dass Muck verstand, was er ihm durch Zeichensprache befahl.
Asslam winkte wieder. Wieder stellte sich Muck auf die Hinterbeine.
»Wann geht es denn endlich los?«, fragte jemand laut.
»Du siehst doch, dass es bereits losgeht!«, rief Hamide beschwörend. »Schau doch! Schau, was der Hund kann!«
»Aber das sieht man doch alle Tage!«, rief ein Mann. »Letzte Woche war ein Gaukler hier mit zwei Hunden und einer Schlange. Die Hunde haben die Trommel geschlagen und die Schlange hat getanzt. Lass deinen Hund doch mal die Trommel schlagen!«
»Das kann er, glaube ich, nicht«, sagte Hamide leise. Asslam schüttelte den Kopf.
»Das ist die Höhe! Diese Kinder wollen uns zum Narren halten! Unverschämtheit! Das lassen wir uns nicht bieten!«
Die Zuschauer schrien empört durcheinander und warfen mit Kamelmist nach Asslam, Hamide und dem Hund. Hamide liefen die Tränen übers Gesicht, sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Da hielt es Lippel nicht mehr aus.
Er fasste sich ein Herz, zwängte sich zwischen den schimpfenden Zuschauern durch, bis er neben Hamide stand, nahm Asslam die Trommel aus der Hand, schlug darauf, bis alle erstaunt verstummten, und rief: »Meine Damen und Herren, was Sie gesehen haben, war einzig und allein die Einleitung. Die Einleitung zu Lippels Dicht- und Zauberschau. Gehen Sie nicht weg! Schauen Sie zu! Nun fängt das Schauspiel erst an!«
»Was machst du? Bist du denn wahnsinnig!«, flüsterte ihm Hamide zu. »Du darfst dich nicht über sie lustig machen. Sie werfen sonst mit Steinen, nicht nur mit Kamelmist. Lass uns schnell weggehen!«
Aber Lippel blieb unbeirrt neben Hamide stehen, schlug die Trommel, bis es ganz still war, und rief in die Stille hinein:
»Nicht schlecht, wie der Junge reimt!«, sagte jemand aus der Menge. »Aber jetzt sollte er endlich anfangen zu zaubern.«
»Will man den Lippel zaubern sehn,
dann darf man nicht nach Hause gehn!«,
fuhr Lippel fort.
»He, Lippel, das haben wir langsam begriffen!«, rief ein Zuschauer. »Es geht doch gar keiner. Zaubere endlich!«
Lippel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen:
»Wer jetzt noch geht, der wird’s bereun,
wer aber bleibt, der kann sich freun.
Denn nur wer hier bei Lippel bleibt,
der kann auch sehn, was Lippel treibt.
Wer jetzt nicht geht, der sieht genau
die große Lippel-Zauberschau.
Die Zauberschau, die ganz geschwind
hier auf dem Marktplatz nun beginnt!«
Einige der Zuschauer mussten lachen. »Mal sehen, wie lange er uns noch den Anfang seiner Schau ankündigt!«, sagte ein alter Mann. »Jedenfalls reimt er recht gut.«
Die meisten aber murrten und schrien: »Jetzt fang endlich an!«
Lippel fasste in die Tasche seines orientalischen Kostüms und zog seine Taschenlampe heraus. Er schwenkte sie über seinem Kopf hin und her. Dabei rief er:
»Das Ding, mit dem ich hier jetzt wackel,
das ist die Silber-Zauber-Fackel!«
Dann zeigte er seine Taschenlampe herum.
Ein Silberschmied, der in der ersten Reihe stand, fragte: »Darf ich die Zauberfackel einmal aus der Nähe betrachten?«
»Bitte!«, sagte Lippel großzügig und gab sie ihm.
Der Silberschmied prüfte sie genau, untersuchte sie von allen Seiten und sagte zu den Umstehenden: »Es ist ein kleines Wunderwerk, kostbar gearbeitet! Aus einem Metall, das ich noch nie gesehen habe. Es glänzt wie Silber, ist aber anders. Und oben ist eine kreisrunde Glasplatte kunstvoll eingearbeitet. Sehr schön! Aber wie will er die Fackel anzünden? Sie ist ganz aus Metall. Und auch Glas brennt nicht, wie man weiß!«
Damit gab er die Taschenlampe an seinen Nachbarn weiter; der betrachtete sie ebenfalls. Und so wanderte die Taschenlampe von einem zum andern und wurde von allen gehörig bestaunt.
Aber alle nickten beifällig, als einer sagte: »So eine Fackel sieht zwar schön aus, aber man kann sie nicht anzünden!«
Als die Taschenlampe wieder bei Lippel angelangt war, hielt er sie in die Höhe und sagte feierlich:
»Noch brennt die Wunderfackel nicht.
Doch wenn der Lippel ›Osram‹ spricht,
erstrahlt ihr helles Zauberlicht!«
»Du Großmaul!«, rief ein dicker Kaufmann. »Ich verkaufe seit zwanzig Jahren Fackeln, ich weiß Bescheid. Glas brennt nicht.«
Lippel nahm die Taschenlampe in die rechte Hand, legte den Daumen an den kleinen Schalter, mit dem man die Lampe an- und ausknipste, machte mit der linken Hand eine große Geste und rief: »Osram!« Gleichzeitig knipste er die Lampe an.
Es war
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