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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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hatte, er schickte mir nur einen bösen Blick, der wohl sagen wollte, er finde mich jetzt gerade ganz schrecklich kindisch,aber ich bohrte einfach weiter in der Wunde herum und fragte ihn, ob es etwa eine bestimmte Kategorie von Anlässen gab, zu der er seinen Anzug aus dem Schrank kramte.
    »Ist doch nur ein Geburtstag.« Hans war wirklich sauer.
    »Aber ein dreißigster«, sagte Paul von hinten. Zur Feier des Tages hatte er sich in edles Knitterleinen oder knittriges Edelleinen gehüllt.
    »Ja, genau«, fuhr ich in Anbetracht des bevorstehenden Grauens mit übertrieben kieksender Stimme fort. »Und jemandem, der dreißig wird, sollte man gefälligst gebührende Achtung entgegenbringen.«
    »Du übertreibst maßlos!« fauchte Hans mich an, aber ich schaute hinter mich auf die Rückbank und holte mir von Paul die notwendige Zustimmung. Auch wenn es nicht die feine Art war, ich brauchte eben ein Opfer, an dem ich meinen Frust ablassen konnte. Erst der Schäfer mit seinen Meckereien, dann noch ein Hans in Kapuze und die Aussicht auf einen Jan, der an der Seite seiner liebreizenden Gattin auftauchte und vor lauter Sexysein garantiert kaum aus den Augen gucken konnte – das war eindeutig zuviel.
    Ich wollte nicht.
    Aber ich mußte.
    Ich wollte doch!
    Ich wollte Jan sehen, seine Schuhe begutachten, seine Narbe auf der Stirn und ihn scharf finden, mich dann am liebsten mit ihm in Gretas Schlafzimmer verziehen, um ein Nümmerchen zu schieben, daß die Decke bebte und alle Gäste aus Angst vor einem Erdstoß schreiend das Weite suchten – aber was machte es für einen Sinn? Ich würde Jan nicht abwerben können, und nur für diese paar Momente zu leben, die dann abgespeichert auf der Festplatte irgendwann zu schönen Retrospektiv-Dateien wurden, dazu hatte ich nicht die geringste Lust.
    Hans fuhr schnell und aggressiv, ein paarmal ging er laut fluchend in die Bremsen. Normalerweise hätte ich ihm die Meinung gesagt, aber ich beherrschte mich. Beim Aussteigen schnappte ich mir Paul, der raunte mir zu: »Geh nicht so hart mit ihm ins Gericht, erliebt dich wirklich«, dann machte ich mich los und lief Greta entgegen, die fast zu heulen anfing, als ich sie an mich drückte.
    »Wie geht’s dir, Gretel?« flüsterte ich ihr ins Ohr, und sie flüsterte zurück, daß es doch nicht so schlimm sei wie befürchtet.
    »Na siehst du! Also: Alles Gute!«
    »Trotzdem – der Lack ist ab!«
    »Quatsch. Ist er nicht!«
    Wir hielten uns noch eine Weile in den Armen – wie gern wäre ich jetzt mit ihr allein gewesen, ich hätte ihr vom Idioten Hans erzählt, von meiner Sehnsucht nach einem anderen Idioten und vieles mehr.
    »Reg dich nicht auf, sie sind schon da«, beendete Greta schließlich unsere Knutscherei. Sie nahm meine Geschenke entgegen – den Gutschein, ein seidenes Nickituch und Krizia-Eau-de-toilette – und wandte sich dann meinen männlichen Begleitern zu, die ihr ebenfalls gratulieren wollten. Ich ging derweil mit wackligen Knien aus Knetmasse voraus. Obwohl die Afro-Jazz-Musik sehr laut war, konnte ich Jans Stimme aus der Menge heraushören.
    Und da stand er dann in seiner ganzen beeindruckenden Länge. Er hatte mir den Rücken zugekehrt, seine Schultern wirkten schmal und abfallend, die Haare waren mittlerweile im Nacken zu lang, sie stießen auf den Kragen, wo sie sich aus lauter Verzweiflung in eine groteske Innenrolle gelegt hatten. Neben ihm Katharina, klein und zierlich, sie tänzelte auf der Stelle, so daß ihr plissierter kurzer Rock in Schlammbraun wippte, sie redete leise und ließ elegant das Sektglas von der linken in die rechte Hand gleiten.
    Meine Beine erlahmten völlig, als Micha mich entdeckte – er posierte vor einer netten BWLer-Zweiergruppe – und meinen Namen einmal quer durch den Raum brüllte. Jan drehte sich in Zeitlupe um. Katharina war schneller, sie lächelte mit irgendwie asiatischem Einschlag, ich lächelte zurück, meine Augen wanderten auf Jan zu, und bestimmt sah ich ihn sogleich mit diesem schrecklich bettelnden und eindeutigen Blick an.
    Fick mich!
    »Guten Abend, Katja. Wie schön, Sie wiederzusehen!« überfiel Katharina mich mit schmeichelnder Stimme, aber wahrscheinlich war es einfach nur ihre normale freundliche Art. »Ich habe schon zu meinem Mann gesagt, bestimmt ist auch Gretas sympathische Freundin wieder da. Und wie geht es Ihnen? Was macht das Schreiben?«
    Ich schätze, ich errötete wie ein Backfisch, drückte dann der Frau des Exliebhabers und dem Exliebhaber brav das

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