Lisa geht zum Teufel (German Edition)
noch Obst. Wollt ihr einen Obstsalat?«, rief Delia von oben aus dem Küchenfenster. Wieder keine Reaktion von Lisa. Sie saß nur da und starrte vor sich hin.
Rafael nahm sich vor, den Stein, der ihr offenbar auf dem Herzen lag, von ihr zu nehmen, drehte das Wasser ab und ging zu ihr. »Hallo, Lisa. Alles in Ordnung?«, fragte er.
Lisa schüttelte den Kopf und griff nach ihrer Kaffeetasse.
Rafael bemerkte, wie sehr ihre Hand zitterte, als sie sie zum Mund führte und einen Schluck daraus trank.
»Ich fürchte, ihr müsst euch das mit dem Hauskauf noch mal überlegen«, sagte sie in ernstem Tonfall. »Felipes Anwalt hat mich gerade angerufen. Der Keller … angeblich illegal erbaut. Jetzt will die Stadt Geld …«
»Wie viel?«
Lisas ungesund blasser Gesichtsfarbe nach zu urteilen, wohl eine Summe, die mehrere Nullen hatte.
»Von mir wollen sie fünfzigtausend. Sozusagen ein Freundschaftspreis. Was Felipe von euch verlangen wird … keine Ahnung.«
Rafael musste sich setzen. Er hatte davon gehört, dass viele Gemeinden an der Costa del Sol versuchten, auf diese Art ihre Kassen zu füllen. Es war hier viel ohne Baugenehmigung gebaut oder unter der Hand durchgewunken worden – die übliche Korruption, die einen aber langfristig erpressbar machte. Denkbar, dass ein Mann wie Felipe seinerzeit ebenfalls jemanden geschmiert hatte.
»Was wirst du jetzt tun?«, fragte er.
»Ich hab nicht so viel Geld … Und auf ein Wohnrecht in einem Ferienhaus gibt mir doch keine Bank der Welt ein Darlehen.«
Da er offiziell ja von seiner »Tante aus Amerika« geerbt hatte, müsste er ihr jetzt eigentlich anbieten, ihr finanziell aus der Patsche zu helfen. Dummerweise ging das aber aufgrund der Fakten nicht.
»Ich glaube, dass unsere Mittel auch begrenzt sind«, log er konsequent weiter und wandte seinen Blick ab. War das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um Lisa die Wahrheit zu sagen? Dass er ein mittelloser Clochard war, den Andreas gekauft hatte? Aber was würde dann aus Carmen? Immerhin galten sie mittlerweile ja nur noch als Bekannte von Felipe. Rafael blieb nichts weiter übrig, als das Spiel fortzuführen, er nahm sich aber zugleich vor, Lisa moralisch zu unterstützen und ihr Halt zu geben.
»Ich werd nach Madrid fahren und mit ihm reden«, sagte sie entschlossen. Erneut nahm sie einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und zitterte dabei noch mehr.
»Wenn du möchtest, begleite ich dich«, bot er spontan an und wunderte sich selbst darüber. Hatte er sich nicht geschworen, diese Stadt nie wieder zu betreten?
Lisa überlegte für einen Moment, nickte dann aber dankbar. »Ich hab ganz schön Schiss davor … Es ist nicht nur Felipe … Es ist mein altes Leben, an das ich nicht mehr erinnert werden möchte. Madrid – ich wollte nie wieder zurück. Kannst du das verstehen?«
Und ob er das konnte.
»Am liebsten würde ich gleich den nächsten Zug nehmen«, fuhr sie fort.
Rafael nickte und machte sich erst jetzt vollends bewusst, auf was er sich da soeben eingelassen hatte. Das Schicksal hatte sie auf kuriose Weise zusammengeführt, damit sie sich ihrem alten Leben stellten.
Kapitel 10
Zu dumm, dass Marbella keinen eigenen Bahnhof hatte. Zuerst mit dem Bus nach Málaga zu fahren, um von dort aus mit dem Schnellzug nach Madrid zu gelangen, war relativ umständlich. Lisa war froh, endlich im Abteil zu sitzen. Eine dreistündige Fahrt lag vor ihnen, von der sich Lisa erhoffte, dass sich Rafaels gedrückte Stimmung etwas bessern würde. Bisher hatten sie sich auf dem Weg zum Bahnhof überwiegend angeschwiegen. Im Zug dann endgültige Funkstille, nachdem sie Rafael eines der Bocadillos, ein belegtes Brötchen, das sie am Bahnhofskiosk gekauft hatte, angeboten hatte. Gerade mal einen Dank rang er sich ab. Weil sie das Abteil für sich allein hatten, stellte Lisa sich schon darauf ein, in meditativer Stille zu verharren oder dem hypnotischen Rattern der Waggonräder zu lauschen.
»Schön«, brachte sie mit Müh und Not zwischen den letzten Bissen hervor, als der Zug durch ein blühendes Tal fuhr, das mit Mohnblumen und Ginster übersät war – abertausend rote und gelbe Tupfer in sattem Grün aus Gräsern, Sträuchern und vereinzelten Baumgruppen. Rafael blickte nur kurz aus dem Fenster. Ein in der Ferne türkis leuchtender Stausee, an dessen Ufer lachsfarbene Pflanzen wucherten, wäre auch einen Kommentar wert gewesen, doch Rafaels ernster Blick verriet, dass er keine Lust hatte, sich mit der Wegstrecke zu beschäftigen,
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