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Lisa geht zum Teufel (German Edition)

Lisa geht zum Teufel (German Edition)

Titel: Lisa geht zum Teufel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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meinst, als du aufgestanden und einfach so gegangen bist?« Lisa erinnerte sich genau daran.
    »Ich war schuld am Scheitern meiner Ehe, auch wenn ich mir das lange nicht eingestehen wollte.«
    Lisa fragte nicht weiter nach, doch die Art, wie sie ihn ansah, machte deutlich, dass sie wissen wollte, warum ihn seine Frau damals verlassen hatte. Er war Lisa eine Antwort schuldig.
    »Meine Frau hat mir immer gesagt, dass ich aufhören soll, aber ich konnte es nicht. Das ist wie eine Sucht. Deine Freunde und Kollegen wohnen in Villen. Sie haben es geschafft. ›Warum schaffst du das nicht?‹, fragst du dich unentwegt.«
    Rafael merkte, dass seine Stimme dünner wurde. Bisher hatte er nur Delia erzählt, was genau damals passiert war. Konnte er Lisa vertrauen? Ein Blick in ihre Augen bejahte die Frage.
    »Das eine Geschäft ging schief. Ich musste mir schnell Geld beschaffen und hab alles eingesetzt, was ich an Kapital hatte. Dazu noch ein Kredit, die Hypothek auf unser Haus. Der Kaffeepreis hätte sinken müssen, aber er tat es nicht. Es war alles weg. Von einem Tag auf den anderen. Das hat sie mir nie verziehen …«
    »Ihr hättet neu anfangen können«, sagte Lisa.
    »Es war nicht das erste Mal. Sie hat mir nicht mehr vertraut – verständlicherweise.«
    »Ihr hattet seither keinen Kontakt mehr?«
    »Nicht zu ihr und nicht zu meiner Tochter. Scheidung – und rate mal, wer das Sorgerecht bekommen hat.«
    Rafael zog eine Fotografie von Carmen aus seiner Westentasche und hielt sie Lisa hin. Ein hübsches Mädchen, das eindeutig Rafaels Augen und Mundpartie hatte.
    »Ich hab sie seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Wollte deine Frau das nicht? Du hattest als Vater doch sicher ein Besuchsrecht.«
    »Ich bin abgestürzt. Alkohol … Und eines Abends, als ich Carmen zurückfuhr … Ein Wagen kam uns entgegen. Carmen lag wochenlang im Krankenhaus …«
    Lisa schwieg. Was konnte man dazu auch noch weiter sagen? Rafael überraschte nicht ihre Betroffenheit und dass er ihr in ihren Augen lesen konnte, wie sehr sie mit ihm fühlte. Was ihn überraschte, war, dass Lisa spontan nach seiner Hand griff und ihm Halt gab. Ein Moment der Stille stellte sich ein. Die vielen Stimmen im Park, die Musik aus einem tragbaren CD-Player, ja selbst die Vögel und der ferne Lärm der Großstadt, den der Wind bis in den Park trug, verstummten. Es gab nur noch Lisas Hand. Sie war weich und zugleich fest. Ein warmer Strom floss von ihr zu ihm und schien bis in sein Herz zu reichen.
    Lisa stand dem Leibhaftigen gegenüber, »El Ángel Caído«, dem gefallenen Engel. So ein hübscher Mann. Der schönste aller Himmelsboten, so verführerisch und anmutig, wie er seinen athletischen Körper in einer rückwärts gerichteten Bewegung rekelte, um der Schlange, die sich um seine Beine schlang, zu entrinnen. Musste Gott nicht um ihn trauern wie um einen verlorenen Sohn? Deutete sein Kampf gegen die Schlange nicht darauf hin, dass er zurückwollte, ins Reich des Lichts, mit all den anderen Engeln vereint? Er schaffte es einfach nicht. So viel stand fest. Die Schlange ließ ihn nicht mehr los. Lisa erinnerte sich daran, sich schon vor Jahren die gleichen Fragen gestellt zu haben. Die weltweit einzige Statue Luzifers mitten im Herzen des Parque del Retiro, die ihn nicht als gehörntes Monster zeigte, sondern als Mensch, der das Böse nicht mehr abschütteln konnte, warf sie immer wieder auf, diesmal jedoch in einem völlig neuen Licht. Der gefallene Engel tat ihr nun leid, weil er schwach war. Es war eine Schwäche, böse zu sein. Vielleicht teilte Felipe sein Schicksal, schoss es ihr zum ersten Mal durch den Kopf. Würde dies aber nicht zugleich bedeuten, dass sie ihm diese Schwäche verzeihen musste, auch wenn er sein Verhalten nicht bereute? Nur schwache Menschen sind böse, soufflierte ihr Herz, und Lisa spürte, wie sich diese Erkenntnis stärker in ihr manifestierte. War sie am Ende die Stärkere, ohne sich dessen jemals bewusst gewesen zu sein? Dass Felipe ausgerechnet hier vor Jahren um ihre Hand angehalten hatte, fühlte sich nun viele Jahre nach ihrer Ehe jedenfalls immer noch wie ein Pakt mit dem Teufel an, den sie nie hätte eingehen dürfen. Lisa war sich nur nicht mehr sicher, ob Felipe die Schlange oder der hübsche Kerl war, den sie in Beschlag nahm.
    Auch Rafael bewunderte die imposante Bronzestatue, die seit Ende des 19. Jahrhunderts inmitten eines Rondells den südlichen Teil des Parks zierte.
    »Wusstest du, dass wir hier auf

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