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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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betrachtet, als anpassungsfähig. Ich dachte, wenn ich jetzt umkehre und dorthin zurückgehe, wo ich Empfang habe, kann ich den Verleger anrufen und sagen, ich hätte einen Fehler begangen. Nicht nur einen kleinen Fehler, sondern einen großen, elementaren, lebensverändernden Fehler. Während der ganzen Woche Sonderurlaub hätte ich völlig vergessen, dass ich ein vernünftiges Mädchen aus Surrey sei. Wissen Sie, irgendetwas an Little Bees Lächeln und ihrer Energie hat mich dazu gebracht, mich ein bisschen in sie zu verlieben. Und so macht die Liebe Narren aus uns allen. Eine ganze Woche lang habe ich mich tatsächlich für einen besseren Menschen gehalten, der die Welt verändern kann. Mir war völlig entfallen, dass ich ja eine ruhige, praktisch veranlagte, trauernde Frau bin, die sich sehr auf ihren Job konzentriert. Ich hatte unerklärlicherweise vergessen, dass niemand ein Held, dass jeder so verdammt verdorben ist. Ist das nicht seltsam? Und könnte ich jetzt bitte mein altes Leben zurückhaben?
    Weiter hinten auf dem Rasen erklang Hundegebell, das der Wind mit sich trug. Little Bee entdeckte mich. Ich ging auf die beiden zu.
    Ich streckte ihnen die Arme entgegen, bemerkte dann aber, dass Charlie nicht mehr bei ihnen war.
    »Wo ist Charlie?«
    Selbst jetzt noch tut es weh, daran zu denken. Ich suchte alles ab, natürlich. Lief hin und her. Schrie seinen Namen. Ich rannte um den Rasen herum, schaute in die Dunkelheit unter dem Rhododendron und hinüber zum Schilf am Rande des Sees. Ich schrie mich heiser. Mein Sohn war nirgendwo zu sehen. Mich überkam eine schmerzhafte Panik. Der für logisches Denken zuständige Teil meines Gehirns machte dicht. Ich nehme an, dass die Blutzufuhr dorthin vorübergehend gesperrt war und sich stattdessen auf Augen, Beine und Lungen konzentrierte. Ich suchte, ich rannte, ich schrie. Und die ganze Zeit wuchs in meinem Herzen die unaussprechliche Gewissheit, dass jemand Charlie mitgenommen hatte.
    Ich rannte über einen Weg und stieß auf eine Familie, die auf einer Lichtung picknickte. Die Mutter - langes, rötlich braunes Haar mit ausgefransten Spitzen - saß barfuß im Schneidersitz auf einer karierten Decke, um sich herum Mandarinenschalen und ungegessene Reste. Sie hatte das BBC Music Magazine auf der Decke ausgebreitet und einen Fuß daraufgestellt, damit der Wind die Seiten nicht umblätterte. An ihrem zweiten Zeh steckte ein schmaler Silberring. Neben ihr auf der Decke aßen zwei Mädchen mit flammendem Haar und blauen Baumwollkleidern Schmelzkäsescheiben direkt aus der Packung. Der blonde, stämmige Ehemann stand ein Stück entfernt und telefonierte. Lanzarote ist ja nur noch eine Touristenfalle, sagte er gerade. Probier doch mal was Ausgefallenes aus, Kroatien oder Marrakesch. Auf jeden Fall bekommst du da mehr für dein Geld. Ich lief weiter über die Lichtung und blickte wild um mich. Die Mutter bemerkte mich. »Stimmt was nicht?«
    »Ich habe meinen Sohn verloren«, sagte ich.
    Sie schaute mich ausdruckslos an. Ich grinste idiotisch. Ich wusste nicht, was ich mit meinem Gesicht anfangen sollte. Mein Gehirn und mein Körper waren bereit, gegen Pädophile oder Wölfe zu kämpfen. Angesichts dieser ganz normalen Leute, die auf ihrer Picknickdecke ein absurd idyllisches Bild boten, schien meine Not verzweifelt und vulgär. Soziale Konditionierung kämpfte gegen Panik. Ich schämte mich. Erkannte instinktiv, dass ich ruhig mit der Frau sprechen und mich ihrem Ton anpassen musste, wenn ich ohne Zeitverlust meine Informationen vermitteln wollte. Ich kämpfte - wie vielleicht schon mein ganzes Leben - darum, die richtige Balance zwischen Nettigkeit und Hysterie zu finden.
    »Entschuldigung, ich habe meinen Sohn verloren.«
    Die Frau stand auf und sah sich auf der Lichtung um. Ich begriff nicht, weshalb sie sich so langsam bewegte. Während ich von Luft umgeben war, schien sie in einem zähflüssigeren Medium zu stecken.
    »Er ist etwa so groß«, sagte ich. »Und als Batman verkleidet.«
    »Es tut mir leid«, sagte sie in Zeitlupe. »Ich habe nichts gesehen.«
    Sie brauchte ewig, um die Wörter zu formen. Es war, als müsste ich warten, bis sie sie in Stein gemeißelt hatte. Ich war schon halb von der Lichtung weg, bevor sie zu Ende gesprochen hatte. Hinter mir hörte ich den Ehemann sagen, Du könntest immer noch die billigste Pauschalreise buchen und nur die Flüge nutzen. Dann suchst du dir eine schöne Unterkunft, wenn du da bist.
    Ich rannte durch ein Labyrinth

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