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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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werde euch erzählen, was geschah, als der Taxifahrer kam. Wir vier warteten draußen vor dem Gefängnisgebäude. Wir kehrten ihm den Rücken, weil man es so macht mit einem großen grauen Ungeheuer, das einen zwei Jahre lang in seinem Bauch gefangen gehalten hat und dann plötzlich ausspuckt. Du kehrst ihm den Rücken und sprichst im Flüsterton, damit es sich nicht an dich erinnert und auf den schlauen Gedanken kommt, dich wieder zu verschlingen.
    Ich schaute zu Yevette, dem großen hübschen Mädchen aus Jamaika. Wann immer ich sie zuvor angesehen hatte, lachte und lächelte sie. Jetzt aber wirkte ihr Lächeln genauso nervös wie meins.
    »Was ist los?«, flüsterte ich.
    Yevette legte den Mund an mein Ohr. »Nicht sicher hier draußen.«
    »Aber sie haben uns freigelassen, oder? Wir können einfach gehen. Wo liegt das Problem?«
    Yevette schüttelte den Kopf und flüsterte wieder: »Ist nicht so einfach, Süße. Freigelassen kann heißen, ihr Mädchen frei könnt gehen, oder kann heißen, ihr Mädchen frei könnt gehen bis wir euch fangen. Tut mir leid, aber wir haben zweite Freiheit, Lil Bee. Nennt man illegale Einwander in.«
    »Das verstehe ich nicht, Yevette.«
    »Kann ich hier nicht erklären.«
    Yevette schaute zu den beiden anderen Mädchen und dem Gefängnis hinter ihr. Als sie sich wieder zu mir umdrehte, beugte sie sich zu meinem Ohr. »Hab Trick gemacht, damit sie uns rauslassen.«
    »Was für einen Trick ?«
    »Pst, Süße. Zu viele Ohren hier, Bee. Vertrau mir, müssen Versteck finden. Dann ich kann dir in Ruhe erklären.«
    Jetzt schauten uns die beiden anderen Mädchen an. Ich lächelte und versuchte, nicht über Yevettes Worte nachzudenken. Wir hockten uns auf die Fersen vor das Haupttor des Abschiebegefängnisses. Die Zäune erstreckten sich in beide Richtungen. Die Zäune waren so hoch wie vier Männer und hatten obendrauf bösartige schwarze Stacheldrahtrollen. Ich schaute die drei anderen Mädchen an und begann zu kichern. Yevette stand auf und stemmte die Hände in die Hüften und riss die Augen auf.
    »Worüber du zum Teufel lachst, klein Käferlein?«
    »Ich heiße Little Bee, Yevette, und ich lache über den Zaun.«
    Yevette schaute daran hoch. »Mein Gott, Süße, ihr Leute aus Nigeria noch schlimmer, als ihr ausseht. Du findest diese Zaun komisch? Dann will ich niemals die Zaun sehen, die du schlimm findest.«
    »Es ist nur der Stacheldraht, Yevette. Ich meine, sieh uns doch an. Ich mit meiner Unterwäsche in einer durchsichtigen Plastiktüte und du in deinen Flipflops und das Mädchen mit dem hübschen gelben Sari und die andere mit ihren Dokumenten. Sehen wir aus, als könnten wir auf diesen Zaun klettern? Ich sag's euch, Mädchen, die könnten den Stacheldraht wegnehmen und obendrauf Pfundmünzen und frische Mangos legen, und wir könnten trotzdem nicht rauf klettern.«
    Jetzt musste auch Yevette lachen, WU-ha-ha-ba-ba, und sie drohte mir mit dem Finger.
    »Dummes Mädchen! Du meinst, die bauen Zaun damit wir drin bleiben? Du spinnst - die bauen Zaun damit Jungs draußen bleiben. Wenn Jungs von draußen wissen, was für tolle Frauen hier eingesperrt, die brechen Türen ein!«
    Ich lachte, aber dann sagte das Mädchen mit den Dokumenten etwas. Sie hockte auf den Fersen und schaute auf ihre Dunlop-Green-Flash-Turnschuhe.
    »Wo sollen wir alle hin?«
    »Wo Taxi uns bringt, verstehst du ? Und von da aus weiter. Nicht so düster gucken, Süße! Wir sind da, in England.«
    Yevette zeigte auf die Landschaft hinaus. Das Mädchen mit den Dokumenten folgte ihrem Finger mit dem Blick, und das Sarimädchen und ich auch.
    Es war ein heller Morgen, das sagte ich schon. Es war im Monat Mai, und warmer Sonnenschein tropfte durch die Löcher zwischen den Wolken, als wäre der Himmel eine zerbrochene blaue Schale, die ein Kind mit Honig gefüllt hatte. Wir waren oben auf dem Hügel. Von unserem Tor aus wand sich eine lange asphaltierte Straße bis zum Horizont. Auf ihr gab es keinen Verkehr. Die Straße hörte bei uns auf - sie führte nirgendwo sonst hin. Auf beiden Seiten der Straße gab es Felder. Und es waren wunderschöne Felder, mit so frischem grünem Gras, dass man hungrig wurde. Ich sah die Felder an, und ich dachte, ich könnte mich hinknien und mein Gesicht ins Gras stecken und essen und essen und essen. Genau das machten ganz viele Kühe links von der Straße und noch mehr Schafe rechts davon.
    Auf dem nächstgelegenen Feld zog ein weißer Mann mit einem kleinen blauen Traktor irgendein

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