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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Geschichte erzählt.«
    »Dann wissen Sie also, dass ich nur hier bin, um ihr zu helfen.«
    »Ich bin nicht davon überzeugt, dass sie deine Art von Hilfe braucht.«
    »Ich bin die Art von Hilfe, die sich um ihr Kind kümmert, als wäre es mein eigener Bruder. Ich bin die Art von Hilfe, die ihr Haus sauber macht und ihre Kleider wäscht und ihr vorsingt, wenn sie traurig ist. Welche Art von Hilfe sind Sie, Lawrence? Vielleicht die Art von Hilfe, die nur kommt, wenn sie Geschlechtsverkehr möchte.«
    Lawrence lächelte wieder. »Ich weigere mich, beleidigt zu sein. Du gehörst zu den Frauen, die komische Vorstellungen von Männern haben.«
    »Ich gehöre zu den Frauen, die gesehen haben, wie Männer Dinge tun, die nicht komisch sind.«
    »Oh, bitte. Wir sind in Europa. Hier sind wir ein bisschen besser erzogen.«
    »Anders als wir, meinen Sie ?«
    »Wenn du so willst.«
    Ich nickte. »Ein Wolf muss ein Wolf sein und ein Hund ein Hund.«
    »Sagt man so bei dir zu Hause?« Ich lächelte.
    Lawrence runzelte die Stirn. »Ich verstehe dich nicht. Ich glaube, du bist dir über den Ernst deiner Lage nicht im klaren. Sonst würdest du nicht lächeln.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn ich nicht lächeln könnte, wäre meine Lage wohl noch ernster.«
    Wir tranken Tee, und er beobachtete mich, und ich beobachtete ihn. Er hatte grüne Augen, grün wie die Augen des Mädchens im gelben Sari an dem Tag, als sie uns aus dem Abschiebegefängnis entließen. Er beobachtete mich, ohne zu blinzeln.
    »Was werden Sie tun?«, fragte ich. »Was werden Sie tun, wenn ich nicht zur Polizei gehe?«
    »Ob ich dich selbst anzeigen werde, meinst du?«
    Ich nickte. Lawrence klopfte mit den Fingern gegen seinen Teebecher.
    »Ich werde das tun, was für Sarah am besten ist.«
    Die Angst raste durch meinen Körper bis in den Bauch. Ich sah seine Finger klopfen. Seine Haut war weiß wie die Eierschale eines Seevogels und auch so zerbrechlich. Er hatte die Finger um den Teebecher gelegt. Er hatte lange, glatte Finger, und sie schlossen sich um das orangefarbene Porzellan, als wäre es ein kleines Tier, das etwas Törichtes tun würde, wenn man es entkommen ließe.
    »Sie sind ein vorsichtiger Mann, Lawrence.«
    »Ich versuche es jedenfalls.«
    »Warum das ?«
    Lawrence lachte kurz auf. »Sieh mich doch an. Ich bin nicht gerade brillant. Ich sehe nicht atemberaubend gut aus. Eigentlich kann man von mir nur sagen, dass ich eins fünfundachtzig und nicht vollkommen dämlich bin. Einem Mann wie mir wirft das Leben nicht gerade viele Rettungsleinen zu, also halte ich die, die ich habe, fest.«
    »Wie Sarah?«
    »Ich liebe Sarah. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel sie mir bedeutet. Abgesehen von ihr ist mein Leben beschissen. Ich arbeite für die entsetzlichste, herzloseste Bürokratie überhaupt; mein Job ist absolut sinnlos, und mein Chef treibt mich irgendwann in den Selbstmord, ganz ehrlich. Wenn ich nach Hause komme, quengeln die Kinder, und Linda schwätzt endlos über nichts und wieder nichts. Nur wenn ich mit Sarah zusammen bin, habe ich das Gefühl, etwas zu tun, das ich mir selbst ausgesucht habe. Nur dann kann ich ich selbst sein. Auch jetzt, wo wir hier miteinander reden. Ich meine, es ist doch irre, dass wir beide in einer ganz normalen englischen Küche miteinander reden. Es ist unglaublich. Es ist eine Million Meilen von allem entfernt, was in meinem Leben passieren könnte, und der Grund dafür ist nur Sarah.«
    »Sie machen sich Sorgen, ich könnte Ihnen Sarah wegnehmen. Darum wollen Sie mich nicht hier haben. Es geht gar nicht darum, was das Beste für sie ist.«
    »Ich mache mir Sorgen, dass Sarah etwas Dummes tun könnte, um dir zu helfen. Ihre Prioritäten verändern, ihr Leben stärker verändern, als es im Augenblick gut für sie ist.«
    »Und Sie machen sich Sorgen, sie könnte Sie in ihrem neuen Leben vergessen.«
    »Schon gut, ja. Aber du kannst dir nicht vorstellen, was aus mir würde, wenn ich Sarah verlöre. Ich würde zusammenbrechen. Anfangen zu trinken. Zack. Es wäre mein Ende. Das macht mir Angst, selbst wenn du es vermutlich jämmerlich findest.«
    Ich trank von meinem Tee. Kostete ihn sehr vorsichtig. Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nicht jämmerlich. In meiner Welt wird man vom Tod gejagt. In Ihrer Welt flüstert er einem ins Ohr, man soll sich selbst zerstören. Ich weiß das, weil er mir ins Ohr geflüstert hat, als ich im Abschiebegefängnis war. Tod bleibt Tod, vor ihm haben wir alle Angst.«
    Lawrence

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