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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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gehalten hatte, dasselbe DHS, das San Franciscos Kinder in Gitmo-an-der-Bay als Geiseln hielt. Es war auch völlig logisch, jetzt, da ich drüber nachdachte. Natürlich musste es Treasure Island sein, wo man mich gefangen gehalten hatte. Was sonst war zehn Minuten Bootsfahrt von San Francisco entfernt?
    Als Dad zurückkam, sah er so zorniger aus als jemals zuvor im Leben.
    "Du hättest es mir erzählen müssen!", polterte er.
    Mom stellte sich zwischen ihn und mich. "Du beschuldigst den Falschen", sagte sie. "Es war doch nicht Marcus, der für das Kidnapping und die Einschüchterung verantwortlich war."
    Er schüttelte den Kopf und stampfte. "Ich beschuldige nicht Marcus. Ich weiß nur zu genau, wer hier schuld ist. Ich. Ich und das dumme DHS. Zieht eure Schuhe an und holt eure Mäntel."
    "Wohin gehen wir?"
    "Zuerst zu Darryls Vater. Und dann besuchen wir Barbara Stratford."
    Der Name Barbara Stratford sagte mir irgendwas, aber mir fiel nicht ein, was. Mochte sein, dass sie eine alte Freundin meiner Eltern war, aber ich konnte sie nicht einordnen.
    Erst mal waren wir jetzt zu Darryls Vater unterwegs. Ich hatte mich nie sehr wohl gefühlt in der Gegenwart des alten Mannes, der Funker bei der Navy gewesen war und seinen Haushalt straff wie auf dem Schiff organisierte. Er hatte Darryl schon Morsecode beigebracht, als der noch ein Kind war, und das hatte ich ziemlich cool gefunden. Das war übrigens einer der Gründe dafür, dass ich wusste, ich konnte Zebs Nachricht trauen. Aber auf jedes coole Ding wie Morsecode kam bei Darryls Vater irgendeine schwachsinnige militärische Disziplinnummer aus anscheinend reinem Selbstzweck - zum Beispiel bestand er auf perfektes Bettenbauen und auf zwei Rasuren pro Tag. Das trieb Darryl ziemlich auf die Palme.
    Darryls Mutter hatte das auch nicht so dufte gefunden und war zu ihrer Familie nach Minnesota zurückgegangen, als Darryl zehn war; er verbrachte seine Sommer- und Weihnachtsferien dort.
    Ich saß hinten im Auto und konnte den Hinterkopf meines Vaters betrachten, während er fuhr. Seine Muskeln im Nacken waren angespannt und waren in steter Bewegung, weil er mit seinen Kiefern mahlte.
    Mom behielt ihre Hand auf seinem Arm, aber es war niemand da, der mich tröstete. Wenn ich doch bloß Ange anrufen könnte. Oder Jolu. Oder Van. Naja, vielleicht, wenn dieser Tag rum war.
    "Er muss seinen Sohn innerlich schon beerdigt haben", sagte Dad, während wir uns auf den Haarnadelkurven hinauf nach Twin Peaks dem Häuschen näherten, in dem Darryl und sein Vater lebten. Es war neblig um Twin Peaks, wie so oft bei Nacht in San Francisco, und das Scheinwerferlicht wurde zu uns zurückreflektiert. In jeder Kurve sah ich die Täler der Stadt tief unter uns, Schüsseln voller glitzernder Lichter, die sich im Nebel bewegten.
    "Ist es das?"
    "Ja", sagte ich, "das ist es." Ich war nun monatelang nicht bei Darryl gewesen, aber ich hatte in all den Jahren genug Zeit hier verbracht, um sein Haus auf Anhieb zu erkennen.
    Wir drei standen einen ausgedehnten Moment lang ums Auto herum, um zu sehen, wer gehen und an der Tür klingeln würde. Zu meiner eigenen Überraschung war ich es.
    Ich klingelte, und wir warteten in angespanntem Schweigen eine Minute lang. Dann klingelte ich erneut. Der Wagen von Darryls Vater stand in der Auffahrt, und wir hatten im Wohnzimmer ein Licht brennen sehen. Gerade wollte ich ein drittes Mal klingeln, als die Tür geöffnet wurde.
    "Marcus?" Ich erkannte Darryls Vater kaum wieder. Unrasiert, in einem Hausmantel und barfuß, mit langen Zehennägeln und roten Augen. Er hatte Gewicht zugelegt, und unter dem kräftigen Soldatenkinn war ein weiches Doppelkinn zu erkennen. Sein dünnes Haar war strähnig und ungepflegt.
    "Mr. Glover", sagte ich. Meine Eltern schoben sich hinter mir zur Tür herein.
    "Hallo, Ron", sagte meine Mutter.
    "Ron", sagte mein Vater.
    "Ihr auch? Was ist los?"
    "Können wir reinkommen?"
    Sein Wohnzimmer sah aus wie eins jener Zimmer, die man in den Nachrichtenmeldungen über verwahrloste Jugendliche sieht, die einen Monat eingeschlossen sind, bevor sie von den Nachbarn gerettet werden: Schachteln für Tiefkühlkost, leere Bierdosen und Saftflaschen, schmutzige Müslischüsseln und stapelweise Zeitungen. Ein Hauch von Katzenpisse hing in der Luft, und Müll knirschte unter unseren Füßen. Selbst ohne die Note von Katzenpisse wäre der Geruch unglaublich gewesen, wie in einem Bahnhofsklo.
    Die Couch war mit einem schmuddeligen Laken und ein paar fettig

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