Little Miss Undercover - Ein Familienroman
einem älteren Ehepaar in Nob Hill folgte. Das ist zwar kein Verbrechen, aber so spät abends für eine junge Dame nicht gerade ratsam.«
»Schätzchen«, sagte Dad, »du sollst Gesetzeshütern keinen falschen Namen nennen. Ich bitte für meine Tochter Rae Spellman um Entschuldigung. Wollen Sie Anzeige erstatten?«
»Nein, damit ist der Fall erledigt«, sagte Officer Glenn. Die beiden Polizisten verabschiedeten sich.
Nachdem Rae eingetreten war, schlug Dad die Haustür zu.
»Wie oft sollen wir dieses Gespräch noch führen?«, fragte er.
Wieder einmal überging Rae den rhetorischen Aspekt der Frage: »Soll ich dir eine Hausnummer nennen?«
»Da draußen treiben sich eine Menge üble Typen herum. Und das weißt du ganz genau.«
»Darum hab ich mir doch dieses alte Ehepaar ausgeguckt!«
Zum Glück ließ sich Dad auf diese Argumentationsweise nicht ein. Bedrohlich leise sagte er: »Dafür wirst du büßen, Mädchen.« Dann schickte er sie ins Bett.
Als Rae unterwegs das Zimmer ihres Onkels passierte, schloss er gerade die Tür. Da wusste sie, dass er der ganzen Szene gelauscht hatte. Außerdem wurde ihr klar, dass er ihr die Bullen auf den Hals gehetzt haben musste. Rae sah durchaus ein, dass sie ihrer Strafe nicht entgehen konnte. Doch sie wollte dafür sorgen, dass auch Onkel Ray nicht ungeschoren davonkam.
D ER B AR -K RIEG
Dafür, dass Rae bloß einem Paar gefolgt war, das zusammen 160 Jahre zählen mochte, war ihre Strafe drakonisch. Zumindest gemessen an allen früheren Strafen, die sie zu verbüßen hatte. Sie bekam drei Monate Ausgehverbot – das hatte es bei uns noch nie gegeben –, doch die eigentliche Grausamkeit bestand darin, dass sie in diesem Zeitraum auch an keiner einzigen regulären Observierung teilnehmen durfte. Bevor Rae sich in das Fegefeuer namens Hausarrest begab, beschloss sie, ihren Kummer mit einem letzten Glas Ginger-Ale im Philosopher’s Club zu ertränken.
Während Milo vergeblich versuchte, sie zum freiwilligen Aufbruch zu bewegen, bereitete mir Daniel ein weiteres Mahl mit eigenen Händen zu. Und wieder hielt er sich in viel zu vielen Punkten gar nicht an das Rezept.
Beim Hacken der Frühlingszwiebeln (im Rezept stand: Porree) sagte Daniel: »Ich würde gern eine Dinnerparty geben.«
»Ist das dein Ernst?«, fragte ich, bevor sich meine interne Zensurbehörde einschalten konnte.
»Aber ja doch. Das wird bestimmt ein Riesenspaß.«
»Wen willst du einladen?«
»Ein paar Freunde. Vielleicht auch meine Mutter.«
Oha, dachte ich. Doch solange er meine Mutter aus dem Spiel ließ, konnte eigentlich nichts schiefgehen. Also war ich bereit, ihn bei diesem Projekt zu unterstützen und zur Schadensbegrenzung beizutragen.
»Toll. Mach doch Enchiladas.«
»Nein. Mir schwebt etwas Besonderes vor.«
»Deine Enchiladas sind doch was Besonderes.« Hoffentlich würde er auf mich hören. Da klingelte mein Handy. Ich wäre nicht rangegangen, wenn die Nummer nicht so vertraut gewirkt hätte – ohne deswegen zur Familie zu gehören.
»Izzy, ich bin’s, Milo. Deine Schwester ist schon wieder hier.«
»Im Club? Aber sie hat doch Hausarrest.«
»Ich weiß. Ich weiß über alles bestens Bescheid. Kannst du sie bitte abholen?«
»Bin schon unterwegs.«
Daniel wollte sofort wissen, wer Hausarrest hatte, und so musste ich mir ein anderes Märchen ausdenken als das ursprünglich geplante. Ich erzählte ihm, meine Schwester Rae habe den (nicht-existenten) Schulbus verpasst, weil ihr Ballettunterricht im Sport club zu lange ging, dabei drohe ihr Hausarrest, wenn sie nicht vor sieben heimkomme.
Dann fragte Daniel, ob er mich begleiten dürfe, er wolle so gern meine Schwester kennenlernen. Als ich ihn darauf hinwies, dass die Sauce noch nicht eingekocht war, vergaß er sein jüngst gefasstes Vorhaben glücklicherweise sofort wieder.
Als ich den Philosopher’s Club betrat, schwang Rae gerade große Reden, während Milo, der weltbeste Barkeeper, ihr ein mitfühlendes Ohr lieh.
»Die waren alt, Milo. Steinalt. Und es war in Nob Hill. Dort treiben sich keine Dealer und keine Nutten rum.«
»Da ist was dran.«
»Ich sagte, lass uns verhandeln. Mom sagte, da gibt’s nichts zu verhandeln. Na und. Man kann über alles verhandeln. Ich hab doch keinem geschadet, oder?«
»Es geht wohl eher darum, dass dir keiner schadet.«
»Ich hab ihnen angeboten kürzerzutreten. Ganze sechzig Prozent. Darauf sind sie gar nicht eingegangen. Dann hab ich achtzig Prozent gesagt. Achtzig Prozent! Das hat Dad
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