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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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auf ihrer Stirn und über ihren Lippen Schweiß xxbildete. Noch immer tanzte sie weiter, obwohl ihre Arme und Beine schmerzten und von der ungewohnten Bewegung schwer wurden.
    Nach einer Stunde steckte sie die Messer in die Scheiden und
fiel keuchend in einen Sessel. Es klopfte ganz leise an der Tür, und Jin erhob sich langsam, streckte sich und hörte, wie ihre Gelenke knackten. »Einen Augenblick«, sagte sie.
    Sie nahm die Messer ab und legte sie über den Sessel. Dann zog sie ihr Kleid an und ging zur Tür. Sie sperrte auf und öffnete.
    Lynnae erwartete sie, ihr Gesicht blass und ihr lockiges Haar vom Schlaf zerzaust. »Guten Morgen, edle Dame Tam«, sagte sie. »Myra hat mir mitgeteilt, dass Ihr wach seid.«
    Jin Li Tam hielt die Tür auf. »Komm herein.« Das Mädchen sah nicht gut aus, aber sie ahnte, dass sie selbst kein viel besseres Bild abgab. »Kannst du nicht schlafen?«
    Lynnae schüttelte den Kopf. »Nur wenig. Nicht genug.«
    Jin nickte. »Ich auch nicht. Das sind die Pulver.«
    »Vor allem die Pantawurzel«, sagte die junge Frau, und Jin Li Tam spürte, wie sie die Augenbrauen hob.
    »Du hast Alchemie studiert?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ein wenig. Die Deltaspäher kauen auf Wurzelstücken der Pantapflanze, um wach zu bleiben. Dazu kommt noch Kalla und vielleicht eine Prise Vesperblatt.«
    Jin hatte vor Jahren heimlich die Pfeife ihres Vaters probiert und den Hauch der Kalla auch schon herausgeschmeckt. Sie deutete auf einen Stuhl und ging zum Ofen. Ein Kessel mit frischem Wasser wartete darauf, gekocht zu werden. »Möchtest du Tee?«
    »Ich kann ihn zubereiten, edle Dame Tam«, sagte Lynnae, aber Jin Li Tam wedelte nur mit der Hand.
    »Nichts da«, sagte sie. »Ich habe nicht vergessen, wie man Tee macht.« Sie nahm zwei Tontassen aus dem Geschirrschrank und fand die Teebüchse, aus der sie drei gehäufte Löffel der duftenden schwarzen Blätter abmaß und zum Ziehen in die Kanne gab, dann kehrte sie in den Sitzbereich zurück, um darauf zu warten, dass das Wasser kochte.
    »Wie schläft Jakob?«, fragte Lynnae.
    Jin Li Tam ließ sich ihr gegenüber nieder und musterte die
junge Frau. In den Tagen, seit Rudolfo gegangen war, hatte sie Lynnae oft gesehen, aber der Tag schien nie genug Stunden zu haben, um ihnen tatsächlich etwas Zeit miteinander zu gewähren. Sie begegneten sich in ihren Zimmern oder im Gang oder sogar hier im Arbeitszimmer, tauschten Höflichkeiten aus und sprachen fast nur von Jakob. Selbst jetzt war es so. »Er hat einen leichten Schlaf«, sagte sie. »Ich denke, er wird bald wach sein.«
    »Soll ich ihn heute Vormittag nehmen?«
    Jin lächelte sie müde an. »Ich bin dran. Du musst ruhen.«
    Lynnae zuckte mit den Schultern. »Ich fühle mich gut.«
    Aber Jin Li Tam sah die Wahrheit in den dunklen Ringen unter den Augen des Mädchens und ihrer verkniffenen Mundpartie. Genau in diesem Augenblick fuhr Lynnae sogar zusammen und schnappte nach Luft. »Kopfschmerzen?«, fragte Jin.
    »Aus dem Nichts«, gab sie zu. »Wie ein Unwetter. Aber trotzdem macht es mir keine Umstände, wenn ich ihn nehme.«
    Jin zwang sich zu einem Lächeln und rieb sich über die Schläfen. »Ich weiß dein Angebot zu schätzen.« Sie blickte das Mädchen wieder an. Sie konnte nicht weit über zwanzig sein, wenn überhaupt, und trotz ihrer einfachen Kleider hielt sie sich anders als die meisten Flüchtlinge, die Jin in den letzten paar Monaten beobachtet hatte. Sie beugte sich vor. »Das alles muss schwer für dich sein, so kurz nach einem solch schrecklichen Verlust.«
    Einen Augenblick lang weiteten sich die großen braunen Augen Lynnaes fast vor Panik. Sie schluckte. »Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Es kommt vor, dass ich den edlen Jakob stille oder bei ihm schlafe und vergesse, dass er nicht mein Micah ist.«
    Jin Li Tam sah die Tränen, die in den Augen des Mädchens aufwallten, und spürte, wie sie Scham überkam. »Ich hätte es nicht ansprechen sollen«, sagte sie und blickte zur Seite.
    Aber aus dem Augenwinkel sah Jin, wie das Mädchen den Kopf schüttelte. »Nein, man sollte von diesen Dingen sprechen;
das würden zumindest die Franziner sagen. Damit wir durch Worte und Erinnerungen auf dem fünffachen Pfad wandeln.«
    Jin Li Tam sah das Mädchen wieder an und bemerkte, dass ihr die Tränen gekommen waren und über ihre olivfarbenen Wangen liefen. »Ich kann mir den Preis, den du bezahlt hast, nicht einmal vorstellen.«
    Und doch konnte sie es. Ein Ehemann, der

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