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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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obwohl Rudolfo vermutete, dass ein Freund nicht magifiziert hierherkommen würde.
    Er hörte das Geräusch von Holz auf Holz und machte sich bereit.
    Als der erste magifizierte Matrose den Anleger betrat, versetzte Rudolfo ihm einen schnellen Tritt und tänzelte zurück. »Ihr anderen bleibt, wo Ihr seid«, sagte er, »wenn Ihr nicht gemeinsam mit Eurem Freund in der winterlichen Bucht schwimmen wollt.«
    Er hörte Bewegung im Boot.
    Das Wasser spritzte und schäumte, aus dem Schäumen wurde eine Stimme. »Wartet!«, rief sie. » Verdammt, wartet.«
    Rudolfo kannte diese Stimme, aber er konnte sie nicht sofort einordnen.

    In der Zwischenzeit wurde das spritzende Um-sich-Schlagen zu gekonnten Schwimmbewegungen. »Ich werde jetzt herausklettern«, sagte die Stimme. »Tretet mich nicht noch einmal, Ihr lächerlicher Geck.«
    Lächerlicher Geck. Rudolfo grinste, als er sich an die Worte erinnerte. Wie lange war es her, dass er sie zuletzt gehört hatte? Mindestens zwanzig Jahre, dachte er. »Rafe Merrique«, sagte er. »Ich hätte gedacht, Ihr wärt inzwischen ersoffen.«
    »Nein, aber Euch habe ich das nicht zu verdanken«, sagte Rafe und knurrte vor Anstrengung. »Bei den Göttern, ist das kalt.« Rudolfo beobachtete, wie nasse Handabdrücke auf dem Anleger erschienen und ein tropfender, menschenförmiger Schatten sich aus dem Wasser zog. »Und was bei allen Höllen ist das für ein furchtbarer Gestank?«
    »Das bin ich«, sagte Rudolfo. »Ich habe mich um die Käfige gekümmert.« Er steckte seine Messer zurück in die Scheide und pfiff nach seinen Spähern, damit sie dasselbe taten. Er pfiff noch einmal, und Augenblicke später schwebte eine dicke Wolldecke aus dem Bootshaus herbei in seine wartenden Hände. Er hielt sie dem magifizierten Piraten hin. »Petronus hat Euch zu mir geschickt? «
    Er wusste, dass der Orden Merriques Dienste im Lauf der Jahre immer wieder in Anspruch genommen hatte, aber er wusste auch, dass diese Dienste jeden teuer zu stehen kamen. Als er und Gregoric in ihrer Jugend mit ihm gesegelt waren, hatte es selbst sie eine ordentliche Summe gekostet.
    Rafe nahm die Decke und wickelte sich darin ein. »Nicht Petronus selbst«, sagte er. »Sein Gastgeber hat es arrangiert … natürlich im Stillen.«
    Sein Gastgeber. Im Stillen. Rudolfo runzelte die Stirn. Das erklärte das magifizierte Schiff, auch wenn Rafe Merrique bei ihrem letzten Treffen, als Rudolfo und Gregoric junge Männer auf dem Weg in die Ödlande gewesen waren, kein so ausgeklügeltes
Transportmittel zu seiner Verfügung gehabt hatte. »Und wo genau ist Petronus?«
    »Es wäre besser«, sagte Rafe, »wir würden uns auf der Bundhai unterhalten. Belassen wir es fürs Erste dabei, dass er in Sicherheit ist … im Augenblick zumindest.«
    »Ich muss ihn sprechen.« Aber schon fragte sich Rudolfo, ob das wirklich der Fall war. Es war durchaus möglich, dass alles, was er brauchte, magifiziert und tropfend vor ihm auf dem schmalen Steg stand.
    Rafes Stimme senkte sich. »Dann bleibt uns nicht viel Zeit, Zigeunerkönig. Ich bin angewiesen worden, die Vögel freizulassen, diesen Posten zu schließen und Euch einzuladen, mich zu begleiten.«
    Rudolfo blickte von der triefenden Decke zu dem Schiff, das eine halbe Meile weit draußen schimmerte. Das Nieseln wurde nach und nach zu einem Regenguss, und er spürte, wie die Temperatur sank. Er pfiff seine Männer herbei und fasste ihnen mit den Fingern an die Schultern, um ihnen lautlos Anweisungen zu erteilen. Sie zogen sich zurück, und zehn Minuten später stiegen die Vögel aus dem Bootshaus auf und verstreuten sich. Rudolfo nutzte diese Zeit, um eilig eine Nachricht zu kritzeln und sie mit seinem eigenen Vogel nach Hause zu schicken, während die Späher ihre Bündel in die wartenden Hände hinabreichten.
    »Ihr seid ordentlich weit weg von zu Hause während dieser interessanten Zeiten«, sagte Rafe, als sie vom Bootssteg ablegten.
    So ist es , dachte Rudolfo. »Unsere Welt verändert sich.«
    Er konnte hören, wie Rafe lächelte. »Das tut sie«, sagte der Pirat. »Aber wie unsere Freunde in den grauen Talaren zu sagen pflegten: ›Veränderung ist der Pfad, den das Leben einschlägt.‹«
    Rudolfo grinste. »Nur Ihr habt Euch nicht sonderlich verändert, wie es aussieht.«
    Rafe lachte leise. »Vor zehn Jahren hätte ich Euch mit mir in die Bucht gerissen. Ich werde älter. Langsamer.«

    Rudolfo nickte. Beim letzten Mal, als er ihn getroffen hatte, war Rafe Merrique in der Mitte seiner

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