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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Ihr, alter Mann? Wenn Ihr meinen Vater je geliebt habt, dann sagt es mir offen.«
    Ezra lächelte, und sein Lächeln war erfüllt von Hoffnung. »Das Zeitalter der Karmesinkaiserin steht bevor«, sagte er. »Es ist an der Zeit, dass wir den Mantel unseres Erbes an uns nehmen und uns auf ihre Ankunft vorbereiten. Ihr glaubt, dass wir das Sumpfvolk genannt werden, weil wir in den nördlichen, kahlen Feuchtgebieten leben. Aber ich sage Euch nun, dass dem nicht so ist. Einst, vor langer Zeit, ehe wir dieses Land während der Herabkunft besiedelten, waren wir das Machtvolk. Ein Volk der Schöpfer, im Dienste des Gefallenen Mondhexers.«
    »Wir waren Sklaven«, unterbrach sie ihn, »von Menschen, die die Welt unter ihren Stiefeln und Bannsprüchen und Klingen zerschmettert haben.«
    »Nein«, sagte Ezra. »Wir waren freudige Diener – nicht von
Menschen, sondern von Göttern.« Er trat einen Schritt vor. »Und das werden wir wieder sein.«
    Er öffnete den oberen Teil seiner Robe, und düsteres Licht flackerte über die weiße Narbe über seinem Herzen. Winters erschauerte, als sie die Verzückung auf seinem Gesicht sah. Sie suchte nach Worten, und die, die sie fand, waren vertraut, auch wenn sie nicht sagen konnte, weshalb. Sie glaubte, dass sie sie vielleicht geträumt hatte. »Hinfort, Bundrabe«, sagte sie mit einer Stimme, die stark und deutlich klang. »Deine Botschaft ist in diesem Haus nicht willkommen.«
    Der alte Mann lachte. »Meine Botschaft ist willkommener, als Ihr Euch vorstellen mögt.«
    Aber Winters blieb fest in ihrem Entschluss, ihre Stimme wurde lauter, bis sie die Höhle füllte und über Fels und Wasser hallte. »Hinfort, Bundrabe«, befahl sie, stieg aus dem Wasser und trat dem alten Mann gegenüber. »Deine Botschaft ist in diesem Haus nicht willkommen.«
    Sein Glucksen wurde zu lautem Gelächter, unter dem der Alte immer weiter zurückwich, bis die Schatten ihn wieder einhüllten. Dann wurde das Lachen leiser, und als es ganz verklungen war, spürte Winters, wie die Wut und das Entsetzen aus ihr herausströmten, während ihre innere Anspannung nachließ.
    Seine Worte klangen in ihr nach, als sie zu ihrem Kleiderstapel zurückkehrte und das raue Baumwollhandtuch aufhob, um sich abzutrocknen. Wir waren freudige Diener, nicht von Menschen, sondern von Göttern.
    Sie beschmierte sich mit Schlamm und Asche, rieb sie sich in Haut und Haar. Als ihre Hände das Brustbein erreichten, hielt sie inne. Sie musste an die dürre Brust des alten Mannes und den nackten Flecken Haut über seinem Herzen denken. In ihrer Erinnerung leuchtete das stechende Weiß der Narbe wie Schnee. Es war nicht das blasse Rot eines frischen Schnittes gewesen, sondern etwas Altes, tief Eingraviertes.

    Und das werden wir wieder sein.
    Winters zitterte, obwohl es in der Höhle warm war, und wünschte sich plötzlich, sie hätte Neb nicht geneckt, als er sie darum gebeten hatte, mit ihm in die Neun Wälder zu gehen. Würdest du mich zur Braut nehmen, Nebios ben Hebda , hatte sie ihn gefragt, und mir eine Zigeunerhochzeit mit Tanz und Musik ausrichten?
    Ich hätte ja sagen sollen , erkannte sie. Aber noch während sie es dachte, wurde ihr klar, dass dies nicht der Weg war, der für sie vorgesehen war.
    »Wir tanzen zu der Musik, die man uns spielt«, hatte Hanric einst zu ihr gesagt, nicht lange nachdem ihr Vater gestorben war. »Und ganz gleich, welchen Schritten oder welcher Weise wir folgen, wenn wir es aufrichtig tun, werden wir am Ende Freude finden.«
    Nun war die einzige Musik, die sie hörte, die Harfe, die sie in ihren Träumen heimsuchte, wenn der wahnsinnige Tertius seine Finger über die Saiten fliegen ließ, während das Licht zweitausend Jahre des Träumens verzehrte. Und der einzige Tanz, den sie vor sich sah, war kaltes, wirbelndes Eisen in einem Sturm aus Blut.
    Winters glaubte nicht an Götter. Tertius hatte sie eines Besseren belehrt. Aber in diesem Augenblick wünschte sie, sie könnte es.
    Sie sehnte sich nach etwas, das größer war als sie selbst, das sie beschwören konnte, fand aber nur ein Lager unter dem Mond und die warmen Arme eines Jungen in ihren Träumen.
    »Hilf mir, aufrichtig zu sein«, flüsterte sie diesem Traum zu.
    Und immer noch erklang der Lobgesang.
    Rudolfo
    Es war lange her, wurde Rudolfo klar, dass er einen Vogelstall ausgemistet hatte. Trotz des Gestanks spürte er, wie ein Lächeln
sein Gesicht verzog, als er sich vorstellte, wie er nun aussehen musste, die Hände und Arme grau von

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