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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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eine Nachricht zukommen lassen würde, wenn er könnte. Die Vögel scheinen dort ihre Magifizierung zu verlieren. Wir tun unser Bestes, um sie zu finden.«
    »Er ist nicht einmal mehr in meinen Träumen«, sagte Winters und wandte sich ab. Ihre Stimme war beinahe nur noch ein Flüstern, und eine tiefe Traurigkeit sprach aus ihr.
    »Vielleicht wirkt sich die Entfernung auf Eure Träume aus«, erwiderte Jin, bezweifelte aber, dass ihre Worte helfen würden.
    Winters zuckte die Schultern, sagte aber nichts, und Jin Li Tam war nicht sicher, was sie dem hinzufügen sollte. Sie war mit den Träumen der Sumpfkönigin nicht sonderlich vertraut, abgesehen von dem, was jeder über die Kriegspredigten und das Buch der Träumenden Könige wusste. Noch weniger wusste sie über die gemeinsamen Träume, die sie angeblich mit dem Jungen verbanden, obwohl ihr bekannt war, dass zwischen den beiden ein Band aus ihrer Zeit in Windwir bestand. Natürlich hatte sie den Tratsch über die junge Liebe bereits gehört, noch bevor sie von der wahren Identität des Mädchens erfahren hatte. Aber Jins Aufmerksamkeit war in den letzten paar Monaten davon abgelenkt gewesen, die Residenz – und ihre eigene Seele – auf das kleine Bündel strampelnden Lebens vorzubereiten, das sie nun auf den Armen hielt. Und von der Aufgabe herauszufinden, was ihr Leben gewesen war und wozu es gerade wurde. Wenn das noch nicht ausreichte, hatten Jakobs schwierige Geburt und die Umstände
des Ehrenfestes des Stammhalters einen weiteren Teil dazu beigetragen, dass sie mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war.
    Dennoch war sie sich der Macht von Träumen durchaus bewusst. Ihre eigenen waren in jener Nacht düster und gewalttätig geworden – und sie waren es geblieben. Selbst heute Morgen war sie verzweifelt aufgewacht, und das letzte Bild war ihr noch lebendig vor den geschlossenen Augen gestanden: ein dunkler Vogel, der auf einem Acker aus Gesichtern, die sie nur zu gut kannte, Augen verschlang.
    Ihr wurde klar, dass das Mädchen immer noch auf eine weitere Antwort wartete. Was sage ich ihr nur? Als sie schließlich die richtigen Worte fand, lag in ihrer Stimme mehr Stärke und Sicherheit, als sie sich erhofft hatte: »Wir werden ihn finden, Winters, und wir werden ihn sicher nach Hause bringen.«
    Das Mädchen neigte den Kopf. »Ich danke Euch, edle Dame Tam.«
    Jin Li Tam erwiderte die Verbeugung, dann blickte sie in das Gesicht ihres Sohnes, der in dieselben dicken Wolldecken gewickelt war, die einst Rudolfo eingehüllt hatten, während seine Eltern mit ihm von Waldhaus zu Waldhaus ritten, um ihn und seinen älteren Bruder Isaak den Waldzigeunern vorzustellen, denen sie eines Tages dienen würden. Er schlief inzwischen, und sein Atem kam als zufriedenes Blubbern zwischen seinen Lippen hervor.
    Sie bemerkte das Interesse auf Winters’ Gesicht und drehte sich etwas zur Seite, damit das Mädchen das Kind besser sehen konnte.
    »Er ist so klein «, sagte die Sumpfkönigin.
    »Ja.« Sie hielt inne. »Es bleibt noch ein bisschen Zeit, bis wir gehen müssen. Möchtet Ihr ihn vielleicht halten?«
    Das Mädchen erbleichte, ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen Angst und Freude. »Ich glaube nicht, dass ich das kann. Ich bin …«

    Jin schnalzte mit der Zunge. »Sicher könnt Ihr das. Folgt mir.«
    Sie ging voraus, zurück um das Zelt herum, und die Späher blieben am Eingang zurück, während sie und Winters eintraten.
    Lynnae und die Flussfrau saßen unter einer flackernden Lampe zusammen am Tisch, um die kleinen, gut verschnürten Beutel mit frischen Spähermagifizienten zu füllen. Sie blickten kurz auf und machten sich dann rasch wieder an die Arbeit. In der Ecke wärmte ein kleiner Ofen den großen Raum und einen Eimer mit Waschwasser. Jin deutete auf ein schmales Feldbett neben dem Feuer. »Setzt Euch«, sagte sie. »Und wascht Euch die Hände. Es ist auch Seife dort.«
    Winters legte ihre Axt ab, und Jin beobachtete, wie sie sich wusch. Unwillkürlich fragte sie sich, wie die Sümpfler wohl mit ihren eigenen Kindern inmitten solchen Drecks verfuhren. Anders als der Großteil der Benannten Lande hatte sie nie daran geglaubt, dass sie noch im Zeitalter des Lachenden Wahnsinns gefangen waren, diesem Überbleibsel des letzten und verheerendsten Bannspruches ihres dunklen Meisters. Sie wusste, dass sie von einem anderen Irrsinn getrieben waren: der mystischen Variante, die zumindest harmloser war.
    Als die Hände des Mädchens sauber waren, beugte sich Jin vor

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