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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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erinnert wurde, dass ihre Entscheidung der einzig gute und vernünftige Weg gewesen war, den sie einschlagen hatte können; dass das kleine Leben, das sie mit Rudolfo geschaffen hatte, jede Schuld wert war, die sie auf sich geladen hatte, selbst wenn sie bei jenen lag, die ihre Familie ermordet, Windwir verheert und Gewalt und Chaos über die Benannten Landen gebracht hatten.
    Aber es war mehr als nur das Bedürfnis nach einer Erinnerung daran, dass sie eine gute Wahl getroffen und den richtigen Weg erkannt und eingeschlagen hatte. Es war eine Erinnerung daran, dass es an diesem zerstörten Ort noch Gutes gab und selbst in
Zeiten großer Dunkelheit Augenblicke des gleißenden Lichts und der unzerstörbaren Hoffnung existierten.
    Wie das Licht in den Augen eines Mannes, der nach Wochen auf See endlich zurückkehrte, und die Hoffnung im Lächeln eines Kindes, das in den Armen seiner Mutter schlief.
    Jin Li Tam ging über Schneefelder, die in Blau und Grün getaucht waren, und als sie am Rand des Lagers ankam, traf sie auf die Soldaten dort und sprach ihnen Mut zu.
    Sie hielt auf ihrem Marsch über das Gelände hier und dort an, um die Männer zu grüßen und sie zu fragen, ob sie morgen für den Ritt bereit waren, bereit für wartende Betten und einsame Frauen, bereit für Heim und Herd. Die Männer verbeugten sich vor ihr und nannten sie Königin, wenn sie ging, und nachdem sie vorüber war, hörte sie sie mit leisen und respektvollen Stimmen flüstern.
    Aber sie schob die Stimmen hinter sich beiseite und ging weiter durch den Schnee, hielt Ausschau nach der marschierenden Gestalt des Zigeunerkönigs im Mondlicht, während ihre Ohren nach dem Klang von Jakobs Lachen horchten.
    Rudolfo
    An den Lagerfeuern wurde inzwischen gesungen, und Rudolfo unterbrach seinen Rundgang, um zuzuhören. Er starrte auf das Gesicht seines Sohnes hinab und erwiderte das Lächeln, das er dort sah. Es war ein ausgesprochen merkwürdiger Augenblick, ein Vater, der mit seinem Sohn durch ein Feldlager ging. Es bescherte ihm Erinnerungen an ähnliche Spaziergänge mit seinem Vater, obwohl er dabei alt genug gewesen war, um nicht getragen werden zu müssen. Er legte den Kopf schief und lauschte dem Gesang im Wind. Es war eine alte Zigeunerweise über das Jahr
des Gefallenen Mondes, gesungen in Moll – langsamer als die Version, die ihm seine Mutter vorgesungen hatte.
    Wie lange ist es her, seit sie mir das vorgesungen hat? Er konnte sich nicht erinnern, und er spürte den bohrenden Verlust, als er in seinem Gedächtnis nach ihrem Gesicht forschte, es aber nicht finden konnte. Aber er erinnerte sich an die Verse. Sie sprachen von erwiderter Liebe, die Opfer erforderte, von Pakt-Thermen in den Fundamenten der Welt und von Geistern, die durch ein Spukmeer schwammen. Es war ein Lied von Tränen und Trennung, von verzweifelter Hoffnung und fehlgeleitetem Glauben. Es war ein Lied über die Liebe zwischen einem Weinenden Zar und der Tochter eines Mondhexers.
    Jakob lachte, und auch Rudolfo lachte. »Also magst du Musik. Genauso wie deine Großmutter.«
    Er ging wieder weiter, doch nun verließ er das Lager und bahnte sich einen Weg durch den Schnee. Er blickte noch einmal in das Gesicht seines Sohnes hinab. »Ich habe eine ganze Weile auf deine Ankunft gewartet«, sagte er zu dem Kind. »Ich bin froh, dass du gekommen bist.«
    Und so unerwartet. Ein Erbe für den Zigeunerthron am Ende eines Stromes aus Blut, in den Schatten der Verheerung. Und auch ein Erbe für das Licht, wie Rudolfo wusste, denn die Große Bibliothek, die er errichtete, würde das Erbe sein, das er seinem Sohn hinterließ.
    Eine dunkle Wolke zog hinter seinen Augen vorbei, als er an seinen eigenen Vater und ein anderes Erbe dachte. Im letzten Jahr hatte er den Foltertrakt geschlossen und die Anatomen der Bußfertigen Folter aufgelöst. Zu jener Zeit hatte er mehr vorgehabt, aber es war genug gewesen. Nun, nachdem er die Gräber des Hauses Li Tam und die blutverschmierten Schneidetische gesehen hatte, nachdem er die warmen Leitungen des Bluttempels berührt hatte, erkannte er, dass er dieses letzte Überbleibsel der dunklen Sitten seiner Vorväter nicht weiterhin dulden konnte.

    Besonders wegen der Kinder, die nun bei ihm ihre Heimat finden würden.
    Vor einigen Stunden hatte er sich mit Vlad Li Tam getroffen, hatte sich die Sorgen des alten Mannes angehört und seinen Bitten gelauscht. Es war überraschend einfach gewesen, und am Ende hatte er zugestimmt, sein Vorhaben zu

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