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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Männer in Uniformen auf ihren Pferden. Andere liefen zu Fuß hinterher oder saßen auf den müde wirkenden Zugtieren. Knechte in einfachen Kleidern zügelten ihre Gespanne, und die Wagen hielten an. In diesem Augenblick nahmen die Soldaten der Gruppe ihre Bögen und bildeten eine unregelmäßige Reihe zwischen den Zigeunerspähern und der Flüchtlingskarawane. Als Rudolfos Leutnant ihn fragend anblickte, schüttelte er den Kopf. Sie würden nicht mit gezogenen Waffen näher reiten.
    Rudolfo ließ seine Männer mit einem Pfiff ein gutes Stück innerhalb der Bogenschussreichweite anhalten und dann sein Pferd vorwärtstraben, allein bis auf den Offizier an seiner Seite. Sie waren inzwischen nahe genug, um die abgezehrten Gesichter und die Angst in den stumpfen Augen der Reisenden zu sehen. Die Soldaten, die mit ihnen ritten, trugen die Uniform der entrolusischen Infanterie, nicht der Kavallerie, wenn auch die Abzeichen sorgfältig entfernt worden waren.
    Ihr Hauptmann und ein Begleiter verließen die Reihe und kamen ihnen auf halbem Weg in der breiten Lücke zwischen den beiden Gruppen entgegen. Der Hauptmann war ein Veteran mittleren Alters, wie Rudolfo jetzt sehen konnte, sein vernarbtes und bärtiges Gesicht durchzogen von Sorgenfalten.
    »Ich grüße Euch, Hauptmann«, rief Rudolfo.
    »Ich grüße Euch, Späher«, kam die Antwort. Rudolfo lächelte, aber sein Lächeln verblasste schnell, als der Hauptmann weitersprach. »Seid Ihr gekommen, um uns zurückzuschicken?«

    Überrascht blinzelte Rudolfo. »Zurückschicken?«
    Der Hauptmann zuckte die Schultern. »Wir haben Euch auf uns zureiten sehen und dachten anlässlich der letzten Ereignisse, dass die Großzügigkeit des Zigeunerkönigs vielleicht ein Ende gefunden hat. Es geht das Gerücht, dass es unter den Häusern neue Gewalt gibt. Erst heute Morgen erhielten wir die Nachricht, dass Attentäter der Sümpfler in den Benannten Landen umgehen. Die meisten Staaten haben ihre Grenzen geschlossen.«
    »Es sind gewiss dunkle Zeiten«, sagte Rudolfo, »aber ich kann Euch versichern, dass die Großzügigkeit des Zigeunerkönigs davon nicht beeinträchtigt ist.« Er musterte die Karawane noch einmal und rechnete in Gedanken ihre Anzahl aus. Es waren vielleicht hundert Leute zusätzlich zu den zwei Dutzend Soldaten hier. Zehn Wagen. »Zieht in Frieden weiter, es gibt Unterkunft, Nahrung und Arbeit, die dort auf Euch warten.« Langsam setzten sich die Worte des Hauptmanns, und Rudolfo strich sich über den Bart. »Trotz der letzten Unannehmlichkeiten sind die Neun Wälder sicher. Wir glauben, dass der Angriff ein Einzelfall war. Wir führen Untersuchungen durch, um ganz sicher zu sein.«
    Nun war es an dem Hauptmann zu blinzeln. »Dann habt Ihr es nicht gehört?«
    Rudolfo schüttelte den Kopf. Seit der Nacht des Angriffs kehrten die Vögel nur langsam zurück. »Was gibt es für Neuigkeiten?«
    »Erlund ist tot«, sagte der Hauptmann. »Im Schlaf ermordet. Abgesehen vom Kronprinzen von Turam und dem Sumpfkönig gibt es noch weitere Herrscher, die entlang der Smaragdküsten ein ähnliches Schicksal ereilt hat. Auch Königin Meirov von Pylos hat ihren Sohn verloren.«
    Die Luft entwich aus Rudolfos Brust, als hätte jemand ihm einen Schlag versetzt. »Bei den Göttern«, flüsterte er. Meirovs Kind war jung, zehn Jahre vielleicht. Und dass das Delta Erlund so rasch nach seinem Aufstieg zur Macht verlieren sollte … das
konnte gut und gerne das Ende der Vereinigten Stadtstaaten bedeuten.
    Sein Blick verengte sich. »Woher stammen diese Neuigkeiten?«
    Der Hauptmann rutschte unbehaglich auf seinem Sattel herum und warf dem Mann neben sich einen Blick zu, ehe er sich zum Weitersprechen entschloss. »Wir kommen aus Phaerum. Ich habe einen Vogelpfleger unter den Mitgliedern der Front der Restauration. «
    Rudolfo kannte die Stadt. Sie hatten ihren Statthalter abgesetzt und alle Soldaten vertrieben, die sich ihrer Revolution nicht anschließen wollten. Erlund ähnelte seinem Onkel mit Sicherheit in so vielen Belangen, dass Rudolfo verstehen konnte, weshalb diese Männer lieber geflohen waren, als ihrem Aufseher gegenüberzutreten, nachdem sie eine ganze Stadt an die Abtrünnigen verloren hatten. Er blickte zu seinem ersten Leutnant und fragte sich einen Augenblick – nur einen Augenblick lang –, ob er seine derzeitige Aufgabe nicht an seine Männer übergeben und in die Siebte Waldresidenz zurückkehren sollte. Ein Sturm braute sich zusammen, der um einiges größer werden

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