Lockend klingt das Lied der Wueste
würden.
Als sie den Helikopter nahen hörte, überprüfte sie den Inhalt ihrer Reisetasche ein letztes Mal, bevor sie ihr Zelt verließ. Neben Kleidung und Kosmetikartikeln hatte sie ihr Tagebuch eingepackt, das inzwischen wieder auf dem neuesten Stand war. Auch an eine Kopie ihres Erinnerungsalbums hatte sie gedacht, damit sie ihrer Gastgeberin Bilder von den Ausgrabungen und dem Archäologenteam zeigen konnte. Und natürlich durfte die Kameraausrüstung nicht fehlen.
Professor Sanders kam zu ihr herüber und sah zu, wie der weiße Hubschrauber landete. Der goldene Schriftzug glänzte im Sonnenlicht.
„Sonntagabend sind Sie doch wieder zurück, nicht wahr?“, vergewisserte er sich.
„Ganz bestimmt, Herr Professor“, versicherte Lisa ihm.
Zu ihrer großen Enttäuschung war es ein fremder Mann, der aus dem Helikopter kletterte. Offenbar hatte Karim wichtigere Dinge zu tun, als den Gast seiner Mutter durch die Gegend zu fliegen. Lisa nahm ihr Gepäck an sich und ging auf die Maschine zu.
„Erliegen Sie nicht den Versuchungen der Großstadt“, rief Professor Sanders ihr scherzhaft hinterher.
Lisa schüttelte den Kopf. Nein, diese Gefahr bestand gewiss nicht. Die Zusammenarbeit mit dem Archäologenteam machte ihr großen Spaß, und sie spielte bereits mit dem Gedanken, sich bei anderen Ausgrabungsprojekten als Fotografin zu bewerben. Nächsten Sommer konnte sie schon im mexikanischen Dschungel sein oder im tiefsten Urwald Südamerikas. Die Einsamkeit in der Natur und das Gefühl, der Erde nahe zu sein, bedeutete ihr mehr als das Leben in der Stadt.
„Hallo – Lisa Sullinger?“, begrüßte sie der Pilot, bevor er nach ihren Taschen griff.
„Ja, das bin ich.“
„Seine Hoheit hat mich beauftragt, Sie zu seiner Mutter zu bringen.“ Der Pilot begleitete sie zur Trittleiter und trat zur Seite, um sie einsteigen zu lassen. Lisa setzte sich auf einen Fensterplatz.
Der Mann stieg ebenfalls ein. „Seine Hoheit sagte mir auch, dass Sie bestimmt großes Interesse daran hätten, das Gebiet südlich von hier aus der Luft zu sehen.“
„Oh, das wäre wundervoll!“ Lisa nahm ihre Kameratasche auf den Schoß. „Ich interessiere mich vor allem für die Route, die von den Karawanen benutzt wurde.“
Der Pilot startete die Maschine. Einen Augenblick später erhob sich der Hubschrauber in die Luft und drehte nach Süden ab.
Unter ihnen erstreckte sich die öde und doch so faszinierende Wüstenlandschaft mit ihrem rötlichen Erosionssand. Angestrengt richtete Lisa ihre Blicke nach unten, um nach Spuren der Karawanenstraße zu suchen. Als sie deren weiteren Verlauf im Flimmern der Hitze entdeckte, war ihre Enttäuschung darüber, dass nicht Karim den Helikopter flog, vergessen. Aufgeregt knipste sie ein Bild nach dem anderen.
Eine halbe Stunde später flogen sie in nordwestlicher Richtung weiter. Die Skyline von Soluddai kam näher und näher. Der Pilot umkreiste die Hochhäuser im Zentrum der Stadt und hielt dabei Funkkontakt in arabischer Sprache. Schließlich landeten sie auf dem Dach eines Hochhauses.
Neben dem Zugang zum Treppenhaus standen zwei uniformierte Wachposten.
„Einer der Wachmänner wird Sie zu Madame al Shaldors Apartment bringen“, sagte der Pilot, nachdem er den Motor abgestellt hatte. Er öffnete die Tür und fuhr die Trittleiter herunter.
Lisa bedankte sich für den interessanten Flug. Sie hatte auch noch eine gute Sicht auf die Assori-Schlucht gehabt, wo der Staudamm gebaut werden sollte. Der Pilot nahm ihre Taschen und übergab sie einem der Wachmänner.
Sie betraten den Lift. Beinahe lautlos glitt er einige Stockwerke tiefer. Dort gab es nur eine einzige Tür. Lisa nahm an, dass Yasmin die gesamte Etage bewohnte. Der Mann in Uniform klopfte an. Nachdem ein Dienstmädchen geöffnet hatte, stellte er Lisas Taschen ab und zog sich zurück.
„Willkommen. Madame befindet sich im Salon. Bitte folgen Sie mir.“
Das Apartment war riesig. Während Lisa hinter dem Mädchen herging, bewunderte sie die kunstvollen Intarsienarbeiten der Parkettböden. Einen Moment später betraten sie einen sonnendurchfluteten Raum, dessen Wände mit gelber Seide bespannt waren. Die Fenster gaben einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt frei.
Yasmin erhob sich von ihrem Sofa und kam ihrem Gast entgegen. „Ich freue mich sehr, dass Sie meine Einladung angenommen haben“, begrüßte sie Lisa mit einem warmherzigen Lächeln. „Bitte nehmen Sie Platz.“ Sie deutete auf das Sofa. „Ich lasse uns Tee
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