Lockende Flammen
Das hatte einfach zu oft dazu geführt, dass sie sich auch nach der Pubertät in gewissen Situationen immer wieder in ihr Wildfang-Image flüchtete, nur weil sie nicht gewusst hatte, wie sie sich verhalten sollte.
Alessandro sah die Schatten, die durch ihre Augen zogen, und fragte sich, was diese wohl hervorgerufen haben mochte. Ganz anders als die meisten anderen Frauen, die er kannte, erzählte Leonore kaum Persönliches von sich. Er kannte zwar ihren detaillierten offiziellen Lebenslauf – kein Wunder nach ihren zahlreichen Bewerbungen –, aber selbst dort hatte sie unter dem Punkt „Hobbys und Freizeit“ nur von beruflichem Ehrgeiz, ihrer Liebe zu ihrem Beruf und den beruflichen Zielen gesprochen.
Und doch hatte sie gestern Abend in seinen Armen so leidenschaftlich reagiert. Überraschenderweise hatte sie nicht versucht, die Führung zu übernehmen, sondern hatte abgewartet. Warum? Weil sie hoffte, so leichter an ihr Ziel zu gelangen? Wenn sie sich einbildete, er könnte seine Meinung ändern und ihr doch noch einen Job geben, hatte sie sich verrechnet – obwohl es stimmte, dass sie bessere Qualifikationen besaß als viele seiner Piloten. Aber dass sie eine Frau war, war ein unüberwindbares Hindernis. Allein durch ihre Anwesenheit würde sie eine nicht zu vernachlässigende Unruhe in seine Mannschaft bringen.
Er schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Normalerweise schlief er nackt, aber heute hatte er sich nach dem Duschen frische Boxershorts angezogen. Auf dem Weg zum Fenster blieb er neben Leonora stehen und sagte beiläufig: „Von einer Spinnenphobie hast du in deinen zahlreichen Bewerbungen aber nichts erwähnt, falls ich mich recht erinnere.“
„Weil ich deswegen schon ein Leben lang den Spott meiner Brüder ertragen muss, habe ich eine zweite Phobie entwickelt, die es mir nicht gestattet, erstere einzugestehen“, versuchte Leonora zu scherzen, während sie sich im Bett aufsetzte und die Knie hochzog, um sich im Fall des Falles vor der Spinne zu schützen. Allerdings fiel es ihr nicht leicht, sich auf ein Wortgeplänkel zu konzentrieren, solange er nur so leicht bekleidet so dicht neben ihr stand.
Sein Körper war atemberaubend muskulös, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, seine Brust war mit weichen dunklen Härchen bedeckt, die sie bereits kannte. Aber jetzt sah sie zum ersten Mal, dass sich seine Brustbehaarung zu einem schmalen Streifen verjüngt über seinen straffen flachen Bauch zog und sich unter dem Bund seiner Shorts verlor. Ganz normale Boxershorts, die den Betrachter über seine Männlichkeit allerdings nicht im Zweifel ließen. Leonora befahl sich, den Blick von der Wölbung zwischen seinen Beinen loszureißen. Oh, was für ein Mann! Fast hätte sie sehnsüchtig aufgeseufzt. Wie mochte sich wohl eine Frau fühlen, die selbstbewusst und erfahren genug war, um ihn dort, wo er am männlichsten war, intim zu berühren, zu streicheln und zu erforschen? Himmel, was dachte sie denn da? Sie spürte, wie ihre Wangen vor Scham anfingen zu brennen. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass er ihren Blick nicht bemerkt hatte.
Eine vergebliche Hoffnung, obwohl Alessandro mehr damit beschäftigt war, seine eigene körperliche Reaktion auf diesen Blick unter Kontrolle zu bringen, statt sich über den Blick an sich Gedanken zu machen. Wie hatte ihm das bloß passieren können, wo er doch ganz genau wusste, dass sie es nur darauf anlegte, ihn zu manipulieren?
Während er sich von ihr ab- und dem Fenster zuwandte, sagte er: „In einem bestimmten Alter hänseln Jungs die Mädels eben gern. Aber ich nehme doch an, dass deine Eltern versucht haben, diese Unart in Grenzen zu halten, nachdem klar war, dass du unter einer Phobie leidest, besonders deine Mutter?“
„Unsere Mutter starb, als ich acht war. Sie wurde in einen schrecklichen Autounfall verwickelt, als sie gerade unterwegs war, um uns von der Schule abzuholen. Und Dad dachte wahrscheinlich, dass ich über meine Angst am schnellsten hinwegkomme, wenn mir schlicht peinlich ist, dass ich sie überhaupt habe. Er hat uns Geschwister immer zur Konkurrenz untereinander angestachelt, deshalb glaubte er wohl, davon ausgehen zu können, dass ich alles daransetze, meinen Brüdern meine Furchtlosigkeit und meinen Mut zu beweisen. Und das habe ich ja auch versucht.“ Sie zuckte resigniert die Schultern. „Nur genützt hat es nichts. Die Angst ist mir geblieben.“
Alessandro war froh, dass er ihr den Rücken zukehrte – nicht nur, weil
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