Lockende Flammen
Traummann? Wie konnte das sein? Es war schlicht unmöglich.
Sie schaute auf die andere Bettseite und sah, dass sein Platz leer war. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie länger geschlafen hatte als normalerweise. Obwohl erstaunlich war, dass sie überhaupt geschlafen hatte. Weder aus dem Bad noch aus dem Ankleidezimmer drang irgendein Geräusch. Offenbar war sie allein … Gott sei Dank. Natürlich Gott sei Dank, was sonst? Aber warum hatte sie von Alessandro geträumt? Die Gestalt aus ihrer Fantasie war noch nie ein Mann aus dem wirklichen Leben gewesen.
Es spielt keine Rolle, versuchte sie sich einzureden, während sie aus dem Bett stieg. Obwohl es nach den Ereignissen von gestern Abend natürlich kein Wunder war, dass sie von ihm träumte. Natürlich beschäftigte sie sich in Gedanken mit Alessandro und wollte ihn besser kennenlernen, aber das hatte nur etwas mit der Fluggesellschaft zu tun. Eine irgendwie geartete Seelenverwandtschaft zu unterstellen wäre völlig idiotisch.
Während sie unter der Dusche stand, hielt sie ängstlich nach der Spinne Ausschau, aber zu ihrer Erleichterung konnte sie den ungebetenen Gast nirgends entdecken. In der Befürchtung, Alessandro könnte zurückkommen, beeilte sie sich.
Nachdem sie ihre neue Jeans und ein ebenfalls neues T-Shirt angezogen hatte, bürstete sie sich das Haar und legte ein leichtes Make-up auf, bevor sie durch den Garten zum Haupteingang des Hauses ging. In der Eingangshalle blieb sie stehen und überlegte, wo es wohl Frühstück geben mochte. In diesem Moment entdeckte sie Falcon, der lächelnd auf sie zukam. Heute trug Alessandros Bruder ebenfalls Jeans, in denen er jünger und weniger streng wirkte.
„Wo haben Sie Sandro denn gelassen?“
„Ich fürchte, ich habe verschlafen. Der Hunger hat ihn wahrscheinlich schon aus dem Bett getrieben.“
„Na, das sind mir ja schöne Sitten. Aber so habe ich wenigstens das Vergnügen, Sie ins Frühstückszimmer begleiten zu dürfen. Heute Morgen ist hier so ein Trubel, dass es nur ein kleines Buffet gibt, doch wenn Sie richtig hungrig sind …“
„Nein, vielen Dank, ein leichtes Frühstück ist genau richtig“, versicherte Leonora.
Alessandros Bruder war charmant und sah blendend aus, und in seiner Gesellschaft fühlte sich Leonora seltsamerweise viel ungezwungener als mit Alessandro. Und doch war es Alessandro, bei dem sie Herzklopfen bekam – sogar jetzt, allein beim Gedanken an ihn.
„Das Castello ist so groß, dass man sich bestimmt leicht verlaufen kann“, sagte Leonora.
„Falls Sie an einer Führung interessiert sind, sagen Sie es einfach. Es wäre es mir eine Ehre.“
„O nein! So war das nicht gemeint …“ Peinlich berührt winkte Leonora ab. Das klang ja fast, als wollte sie ihn mit Beschlag belegen.
Aber Falcon erwiderte nur lachend: „Ah, ich verstehe. Natürlich ziehen Sie Sandros Gesellschaft vor. Nein wirklich, streiten Sie es bloß nicht ab. Genau so soll es sein!“
Alessandro, der unbemerkt herangekommen und in einiger Entfernung stehengeblieben war, beobachtete die beiden stirnrunzelnd. Falcon lächelte … viel zu charmant für Alessandros Geschmack. Und Leonora lächelte zurück. Falcons Hand lag auf ihrem Arm, während sie ihn anschaute. Alessandro sah plötzlich rot, sein Herz schmerzte, als würde es von einer eisernen Faust zusammengepresst. Für einen Moment stand es still, dann begann es wütend zu hämmern. Leonora gehörte ihm!
Erbost stürmte er auf die beiden zu, doch nach ein paar Schritten kam er zur Besinnung und blieb stehen, aber sein Bruder und Leonora hatten ihn bereits entdeckt. Jetzt gab es kein Zurück mehr, weder wortwörtlich noch bildlich.
„Ach, da bist du ja, Alessandro. Leonora hat dich schon vermisst. Ich habe ihr angeboten, ihr das Castello zeigen, aber sie wollte nicht. Sie will nur dich.“
Jetzt schaute Alessandro Leonora zum ersten Mal an. Sie wirkte, als ob ihr das alles schrecklich peinlich wäre, aber Alessandro war plötzlich fest davon überzeugt, dass sie es nur darauf angelegt hatte, ihn eifersüchtig zu machen. Auf jeden Fall war er entschlossen, sie nicht mit Falcon alleinzulassen … oder mit wem auch immer.
Er war heute früh nach einer unruhigen Nacht ziemlich derangiert aufgewacht und hatte zu seinem Missvergnügen entdecken müssen, dass er im Lauf der Nacht unbemerkt ganz nah an sie herangerutscht war. Beim Aufwachen hatte sogar sein eines Bein über ihrem gelegen, so verkrampft, dass es jetzt noch schmerzte.
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