Lockende Flammen
beweisen wollte.
„Iss ein Hörnchen, oder gehörst du zu den Frauen, die das Frühstück prinzipiell ausfallen lassen?“
Alessandros kühle missbilligende Stimme brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Froh darüber, dass sie ihre Gedanken nicht weiterverfolgen und zu einem Schluss gelangen musste, ging Leonora zum Tisch, wo sie ihre Tasse abstellte und sich ein Croissant mit Honig bestrich.
„Nein, bestimmt nicht. Ich würde ja auch kein Flugzeug fliegen, das nicht aufgetankt ist. Außerdem ist es vollkommen unmöglich, als einziges Mädchen unter Männern aufzuwachsen und das Frühstück ausfallen zu lassen“, fügte sie trocken hinzu. „Im Winter durften wir Kinder das Haus erst verlassen, nachdem wir einen großen Teller Haferbrei gegessen hatten, und Haferbrei ist bis heute mein Trostessen.“ Sie unterbrach sich verlegen, als ihr bewusst wurde, dass sie ihm eine Seite von sich gezeigt hatte, die sie normalerweise sorgfältig unter Verschluss hielt.
„Mein Trostessen sind Spaghetti mit Tomatensoße. Unsere Stiefmutter hat uns oft ohne Abendessen ins Bett geschickt, aber unsere alte Köchin hat Falcon beigebracht, wie man ein paar einfache Gerichte zubereitet“, erzählte Alessandro.
Als sich ihre Blicke trafen, fragten sie sich beide unangenehm berührt, was sie zu so viel Offenheit veranlasst haben mochte.
Alessandro versuchte sich einzureden, dass er Leonora nur in Sicherheit wiegen wollte, damit sie ihre Wachsamkeit aufgab. Weil er ihr endlich zeigen wollte, wer hier der Stärkere war. Nur deshalb gab er Dinge preis, die sie eigentlich nichts angingen. „Ich bin überrascht, dass du den Hubschrauberschein noch nicht gemacht hast.“
Warum sagte er das? Um sie zu ärgern? Falls ja, hatte er sein Ziel erreicht.
Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss, trotzdem hielt sie seinem Blick stand, während sie antwortete: „Ich hatte es eigentlich vor, aber so ein Schein ist nicht billig, und ich bin nicht so auf Rosen gebettet wie du. Da ich nicht als Pilotin arbeite, muss ich immer die vorgeschriebene Anzahl Flugstunden nachweisen, sonst verfällt meine Lizenz. Und Flugstunden sind teuer, da bleibt nicht mehr viel übrig.“
„Und das ist alles meine Schuld, stimmt’s?“, fragte Alessandro sarkastisch. „Weil ich mich weigere dich einzustellen? Aber vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass es außer meiner Firma noch jede Menge andere Fluggesellschaften gibt.“
„Für mich nicht. Für mich gibt es nur dich … äh … ich meine Avanti.“
Himmel! Wie konnte sie bloß? Mit brennenden Wangen schaute sie auf Alessandro, aber er war so mit seinem Kaffee beschäftigt, dass ihm offenbar entgangen war, was sie eben gesagt hatte.
Ganz schön raffiniert, dachte Alessandro, während er so tat, als ob er Leonoras absichtlichen Versprecher nicht mitbekommen hätte. Natürlich durchschaute er sie. Offenbar bildete sie sich ein, einen Mann um den kleinen Finger wickeln zu können, indem sie sein Ego streichelte, aber Alessandro hatte schon vor langer Zeit – und zwar auf die harte Tour – lernen müssen, seinem Ego zu misstrauen.
„Mandarinchinesisch-Unterricht ist nicht billig, soviel ich weiß“, gab er glatt zurück. „Und du wirtschaftest doch bestimmt ausschließlich in die eigene Tasche, oder?“
Leonora spürte erneut, wie ihr die Röte in die Wangen kroch, diesmal allerdings vor Wut. Ja, es stimmte, sie wurde gut bezahlt für ihre Arbeit, wenn auch nur von jenen Schülern, die es sich auch leisten konnten. Es gab andere wissbegierige, fleißige Kinder von weniger begüterten Eltern, denen sie weitaus billigere Tarife einräumte, weil sie und ihre Brüder von Kindesbeinen an gelernt hatten, der Gesellschaft etwas von dem, was sie bekommen hatten, zurückzugeben. Aber das ging Alessandro nichts an. Da sie es nicht für nötig erachtet hatte, es in ihrer Bewerbung zu erwähnen, brauchte sie es jetzt auch nicht tun. Es sei denn, sie wollte, dass er sie in einem besonders günstigen Licht sah, damit er es sich vielleicht noch einmal überlegte, ob er ihr nicht doch einen Job geben sollte? Ganz bestimmt nicht!
Oder gab es vielleicht noch einen anderen Grund? Und welcher könnte das sein? Sie hatte doch von ihm geträumt, richtig? Und ihn sich als eine Art Seelenverwandten vorgestellt, oder? Aber das war nur wegen dieser Sache von gestern Abend gewesen und bedeutete nichts. Sie musste sofort aufhören, in dieser Form an ihn zu denken, sonst würde sie sich wirklich noch in ihn
Weitere Kostenlose Bücher