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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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liebreizendsten Lächeln bedachte.
    Missvergnügt kniff Sir Edmund die Lippen zusammen und erwiderte dann mit gezwungener Herzlichkeit: „Vielleicht solltest du auch daran denken, in den Ehestand zu treten. Man sagt, dazu sei es nie zu spät.“
    „Hm, ja, ich vermute, das stimmt. Nun ich will euch nicht weiter vom Essen abhalten. Fröhliche Weihnachten, Sir Edmund, Lady Fitzhugh. Vielleicht sehe ich euch diesen Winter nun wieder öfter in der Stadt.“
    „Schon möglich, Carew.“ Sir Edmund nickte dem kleinen Mann Abschied nehmend zu, und als dieser dann wieder außer Hörweite war, murmelte er: „Ein ungehobelter Bursche, aber herzensgut. Er war Mitarbeiter der Faktorei in Madras, als ich dort stationiert war.“
    Diese Mitteilung weckte Juliannas Interesse. „Ihr müsst mir unbedingt mehr über Eure Abenteuer in Indien erzählen, Sir Edmund!“, rief sie begeistert.
    „Gewiss doch, gewiss“, pflichtete ihr Begleiter bei, ohne jedoch die geringsten Anstalten dazu zu machen.
    Als der Hausherr mit seiner jungen Gemahlin die Treppe in Fitzhugh House emporstieg, schlug die große Standuhr in der Eingangshalle die erste Stunde. In Juliannas Zimmer schürte Sir Edmund wieder das Feuer im Kamin und legte frische Scheite duftenden Birkenholzes nach. Während er versuchte, einen Harzfleck vom Finger zu entfernen, sagte er beiläufig: „Morgen Abend führt Mr Händel vor geladenen Gästen sein neuestes Oratorium am Haymarket auf. Ich habe schon viele Lobreden darüber gehört, seit es in Dublin uraufgeführt wurde. Das Konzertfindet zugunsten des Hospitals für Findelkinder statt, und als einer seiner Patrone bin ich verpflichtet, daran teilzunehmen. Würde es dir Spaß machen, mich zu begleiten?“
    „Aber ja, bitte, Sir Edmund!“ Julianna klatschte erfreut in die Hände. „Ich bewundere die Musik von Meister Händel so sehr.“
    „Nun, nun, du solltest nicht zu viel erwarten“, warnte Sir Edmund. „Es ist keine öffentliche Aufführung, sondern mehr eine Art Generalprobe.“
    „Ich werde bestimmt nicht enttäuscht sein. Gute Nacht, Sir Edmund, und vielen Dank für den Theaterabend und das gute Essen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich schon einmal so frohe Stunden erlebt habe.“
    Die Hand bereits auf der Klinke, wandte sich Sir Edmund noch einmal um und überraschte Julianna mit der Frage: „Du vermisst deinen Vater wohl sehr?“
    Seine ehrliche Anteilnahme brachte sie so sehr aus der Fassung, dass sie heftig schlucken musste, ehe sie mit kindlichem Ernst erwidern konnte: „Ja, sehr. Wir haben sehr aneinander gehangen.“
    „Beneidenswert.“
    Hatte sie diese geflüsterte Antwort wirklich gehört? Aber wenn ja, dann waren die Worte wohl kaum für ihre Ohren bestimmt gewesen, und ehe sie noch etwas sagen konnte, war Sir Edmund verschwunden.
    Eilig kleidete sich Julianna aus und kroch fröstelnd unter die warme Decke. Lustige Szenen der abendlichen Vorstellung kamen ihr in den Sinn, und sie lächelte glücklich in Erwartung des morgigen Konzertes. Noch im Halbschlaf ertappte sie sich immer wieder dabei, wie ihre Gedanken zu Sir Edmunds rätselhaftem Wesen wanderten. Er konnte in der einen Minute ein so unterhaltsamer Gesellschafter sein und in der nächsten wieder in steinerne Zurückhaltung verfallen. Um Crispins willen würde sie gern Freundschaft mit seinem Onkel schließen – und natürlich auch um Sir Edmunds willen, denn sie spürte bei ihm unter der nach außen zur Schau getragenen Selbstgenügsamkeit eine tiefe Vereinsamung.

5. KAPITEL
    Am nächsten Morgen blieb Julianna so lange wie möglich im Bett liegen, denn sie scheute sich vor der Kälte im Zimmer. Es brachte schon handfeste Nachteile mit sich, wenn man das gesamte Personal über die Feiertage nach Hause schickte. Die wenigen Wochen in Fitzhugh House hatten sie bereits verwöhnt, und sie dachte sehnsüchtig an das morgendliche Feuer im Kamin, an warmes Waschwasser und an eine Tasse dampfenden Ceylontees. Von Hunger getrieben, raffte sie sich schließlich doch auf, sprang aus dem Bett und zog sich ihr dickstes Gewand über. Als sie ihren Salon betrat, fand sie zu ihrer freudigen Überraschung ein hell loderndes Kaminfeuer und einen mit Butter, Brot, Marmelade, Käse und heißem Tee gedeckten Frühstückstisch. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Das Rätsel Sir Edmund schien immer unauflösbarer zu werden.
    Als der Abend herannahte, zog sie ernsthaft in Erwägung, das neue Seidenkleid anzuziehen, verwarf diesen Einfall aber nach

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