Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?
bisschen geschwätzt. Da das Haus direkt an der Straße liegt, konnten wir ungesehen die Vorübergehenden betrachten und sie auch gut hören. Aber die Leute, die vorbei gingen, waren alles langweilige Erwachsene.
Wir wollten schon wieder runter steigen, da sah ich auf einmal meinen alten Feind, Helmut Holler mit einem Jungen vorbeigehen, den wir nicht kannten. Und der Zufall wollte es, dass er hochgeguckt und mich gesehen hat. Er hat nur ganz dämlich gegrinst. Plötzlich blieb uns fast das Herz stehen. Nahm der Kerl doch unsre Leiter weg. Da sie ziemlich schwer ist, half ihm der fremde Junge dabei. Ächzend schleppten sie die Leiter weg. Dabei rief doch der dämliche Kerl uns noch zu: „Gute Nacht, meine Damen, schlaft gut da oben!“
Sie verschwanden mit unserer einzigen Verbindung zur Außenwelt. Zum Runterspringen war’s viel zu tief und über die Treppe konnten wir auch nicht runter. Da fehlte ja noch der Durchbruch.
Wie das so ist, die ganze Zeit gingen da unten Leute vorbei, jetzt ließ sich kein Mensch mehr blicken. Gila hatte Angst, Rita hatte langsam Hunger und ich tröstete beide: „Naja, jetzt ist das ein bisschen unbequem, aber wir werden bestimmt gefunden. Ich kann mir denken, dass unsere Eltern losziehen, um uns zu suchen, wenn wir die ganze Nacht nicht heimkommen.“ „Ich will aber nicht die ganze Nacht hier oben hocken“, maulte Gila. Rita runzelte die Stirn: „Wir müssen uns was einfallen lassen!“ „Nehmt die Sache doch nicht so tragisch. Wenn wir wieder unten sind, erinnern wir uns bestimmt ganz stolz an unser Abenteuer und können was erzählen. Außerdem kommt bestimmt bald wieder jemand vorbei, der uns die Leiter wieder hinstellt. Wir konnten über die Kirche hinwegsehen, dort lief jemand. Aber unsre Straße war wie ausgestorben. Da fiel mir was ein. „Wir müssen um Hilfe schreien. Ja, ganz genau, das ist es. Da drüben auf der Wiesenstraße gehen Leute. Wenn wir ganz laut brüllen, müssen sie uns hören.“
Wir brüllten im Chor, es klang schaurig, half aber. Zwei Männer kamen auf uns zu. „Hier sind wir, hier, im Feuerwehrhaus!“ Die Männer schauten nach oben. Einer war Herr Bollmann. „Was macht Ihr denn da oben?“ fragte er völlig verblüfft. Gisela erklärte es ihrem Vater. Jetzt gingen sie in die Feuerwehrhalle, um nach der Leiter zu suchen. Er kam zurück. „Verflixt, die Burschen haben die Leiter versteckt, und zwar so gut, dass wir sie nicht finden können.“ „Und die Leiter vom Feuerwehrauto?“ Rita meinte, die sei doch lang genug. „Das ist sie“, sagte Herr Bollmann, „aber die kann nur die Feuerwehr bedienen. Am besten gehe ich grade mal ins Bürgermeisteramt und rufe Herrn Kampf an. Habt keine Angst, bald seid Ihr wieder unten.“ Und so geschah es, dass die Feuerwehr zu ihrem ersten Einsatz kam. Die Leiter wurde auch wieder gefunden. Sie lag unter dem Feuerwehrauto. Das haben sie allerdings erst gemerkt, als wir wieder unten waren und das Auto wieder in die Halle fuhr.
Schon ein tolles Gefühl, von der Feuerwehr gerettet zu werden, auch wenn’s nicht brennt.
Spionage
Ist Herr Weiß ein Spion? Wenn er einer ist, hat Kattenbach die Sensation und wir wären unseren Lehrer endlich los. Im Moment ist er noch in Freiheit. Er wird nur überprüft. Das heißt, die Amis überprüfen ihn.
Alles fing mit einem dieser langweiligen Wandertage an. Ein trüber Tag, aber unser Herr Lehrer sucht sich ja mit Vorliebe schlechtes Wetter aus. Ein bisschen Nieselregen gab’s noch als Zugabe. So stapften wir also missmutig hinter Herrn Weiß her.
Ziel des Ausflugs war Auenheim. Wir sollten uns da eine alte Kirche ansehen und von ihm erklären lassen. Das Schlimme daran ist, man muss auch noch zuhören bei seinen Erklärungen, da wir darüber garantiert einen Aufsatz schreiben müssen.
Die Marienkirche in Auenheim ist sehr alt, über fünfhundert Jahre. Man kann sich das kaum vorstellen. Da drin sind Knochen von Menschen ausgestellt. Die sollen heilig sein. Zwischen den Gebeinen liegen vergammelte Stofffetzen und wertvoller Schmuck. Mir ist es irgendwie unheimlich, wenn mich so ein völlig fleischloser ehemaliger Bischof angrinst. Aber dieses Mal gab’s Gott sei Dank keine Kirchenbesichtigung.
Herr Weiß fotografiert doch so gern. Egal, was es ist, ein Ameisenhaufen oder uns, seine Klasse. Naja, da mussten wir uns unterwegs halt wieder ein paarmal aufstellen, damit er knipsen konnte. Bei der dritten Aufstellung wählte er als Hintergrund das Munitionsdepot
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