Lockruf der Finsternis
ging …
Ehe Ash sich Katra näherte, versetzte er Sin zurück in sein Penthouse. »Du hast noch nicht wieder genug Blut.«
»Ich werd’s überleben.«
»Ja, aber je länger du ohne Nahrung auskommen musst, desto amoralischer wirst du werden. Und mit der Zeit wirst du werden wie ein Gallu … und noch schlimmer.«
Sie sah mit Augen zu ihm auf, die zur gleichen Zeit unschuldig und allwissend waren. »Tolerierst du deshalb Artemis?«
Er nickte. Es bestand keine Notwendigkeit, diese Tatsache vor Katra geheim zu halten, wenn es so offensichtlich war.
Aber seine Beziehung zu ihrer Mutter war nicht etwas, das jetzt wichtig war. »Sin liebt dich, Katra. Du hättest den Ausdruck auf seinem Gesicht sehen sollen, als er dich hierhergebracht hat. Die Vorstellung, dass er dich verlieren könnte, hat ihm einen fürchterlichen Schrecken eingejagt.«
Sie wischte sich eine Träne ab. »Das macht es für mich auch nicht besser, denn ich bin diejenige, die die Sache ruiniert hat.«
Ash zog sie an sich, sodass er ihr etwas von dem Schmerz nehmen konnte, den sie verspürte. »Weißt du, das Unglaubliche bei Herzen ist ihre Fähigkeit zur Vergebung. Du wärst überrascht, worüber Menschen alles hinwegsehen, wenn sie jemanden lieben.«
Sie schlang die Arme um seine Hüfte. »Vergibst du Nick, dass er mit Simi geschlafen hat?«
Ash ignorierte den scharfen Schmerz, den diese Frage bei ihm verursachte, aber er war über diese Sache hinweg. »Das habe ich getan.«
»Aber er hat dir nicht vergeben.«
Nein. Er war nicht sicher, ob Nick je über den Tod seiner Mutter hinwegkommen würde. Aber es war Ash lieber, wenn Nick ihm die Schuld daran gab, als dass er versuchte, mit seiner eigenen Schuld an ihrem Tod zu leben. Gott helfe Nick, wenn er je die Verantwortung dafür übernehmen sollte. Es würde ihn umbringen.
»Über Nicks Gefühle habe ich keine Kontrolle.«
Kat schluckte, ehe sie wieder sprach. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. »Und was ist mit Mutter? Hast du ihr vergeben, was sie dir angetan hat?«
Ash zog bei dieser Frage scharf die Luft ein. Sie traf ihn völlig unvorbereitet. »Das ist ein bisschen komplizierter, Katra. Wir reden hier nicht von einem einzelnen Fehler, den man vergeben kann. Jedes Mal, wenn ich denke, wir hätten jetzt einen Verrat hinter uns gebracht, erfahre ich von einem neuen, den sie begangen hat … zum Beispiel, dass sie dich vor mir verborgen gehalten hat.«
Sie sah zu ihm hoch. »Aber du liebst sie doch, oder?«
Ash antwortete nicht. Er konnte es nicht.
»Dad?«
Er lächelte sie mühsam an. »Ich kann dir diese Frage nicht beantworten, weil ich die Antwort nicht weiß. Wenn du jemanden außerordentlich hasst, dann hast du ihn zuvor auch sehr geliebt. Wenn der ganze Hass verschwunden ist, ist dann noch Liebe übrig? Ich weiß es wirklich nicht.«
Er schob ihr das Haar aus dem Gesicht. Er wollte ihr das schenken, von dem er sich wünschte, jemand hätte es ihrer Mutter geschenkt. Katra musste begreifen, dass sie jetzt an einer Weggabelung stand.
»Aber eines weiß ich, Katra: Den ersten Verrat, so schwerwiegend er auch war, hätte ich vergeben können, wenn sich deine Mutter bei mir entschuldigt hätte und es auch so gemeint hätte. Wäre sie zu mir gekommen und hätte mir versprochen, sie würde mich nie wieder verletzen, dann hätte ich mein Leben für sie hingegeben. Stattdessen hat sie zugelassen, dass ihr Stolz ihr in die Quere kam. Es war ihr alles ganz fürchterlich peinlich. Sie war mehr darauf bedacht, mich dafür zu bestrafen, als dass sie an die Zukunft dachte, die wir miteinander hätten haben können.«
Kat runzelte die Stirn. »Was willst du mir damit sagen?«
»Ich habe Sin gesehen, Katra, als er zu mir kam und um dein Leben gebeten hat. Das macht niemand, wenn ihm nicht wirklich viel daran liegt. Es ist noch nicht zu spät. Er kann dir in dieser Sache vergeben.«
»Aber seine Vergangenheit …«
»Die schmerzt ihn noch immer sehr, und deshalb trifft ihn diese Sache so tief. Aber gerade wegen dieser Verletzung braucht er dich umso mehr.«
Kat hielt den Atem an, als ihr Vater das sagte, was ihr sehr guttat. Aber sie war sich nicht sicher, dass sie es auch glauben konnte. »Bist du dir sicher?«
»Vertrau mir, Baby. Jeder braucht jemanden, an dem er sich festhalten und den er lieben kann. Jemanden, der da ist und ihm hilft, die Scherben aufzusammeln, wenn alles in die Brüche geht. Sin unterscheidet sich da nicht von anderen Leuten.«
Tränen brannten Kat
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