Lockruf der Finsternis
Daniel’s vom Couchtisch schnappte. Er ging ins Schlafzimmer, damit er sich nicht länger mit ihren Kommentaren herumschlagen musste.
Zumindest hatte er sich das so gedacht, aber die Wände waren so dünn, dass er weiterhin alles hörte.
»Wann hat er sich denn das letzte Mal umgezogen?«, fragte Damien.
»Das muss an dem Tag gewesen sein, als er zuletzt gebadet hat … an dem Tag, als Kat weg ist.«
Sin hörte, wie einige Gläser aneinanderschlugen.
Damien fluchte. »Wie viel von dem Scheiß trinkt er denn?«
»Ich möchte es mal so sagen: Ich fülle die Bar jetzt zweimal am Tag auf.«
»Verdammt, wie kann er gegen die Dämonen kämpfen, wenn er dermaßen fertig ist?«
»Ich glaube, du hast eben recht gehabt: Er zündet ein Streichholz an und haucht nur noch darauf. Das gibt eine wunderbare Stichflamme.«
»Wenn es nicht so traurig wäre, dann würde ich lachen.«
»Ja, das versteh ich. Ich hab mit dem Lachen aufgehört, als ich das hier unter seinem Kissen gefunden habe.«
Sin fluchte. Er ging rasch zu seinem Bett und musste feststellen, dass Kish genau das in den Händen hielt, was er befürchtet hatte … Katras grässlichen Flanellpyjama.
Was für ein armseliger Trottel er doch war! Er hatte ihren Schlafanzug behalten, sodass er ihren Geruch einatmete, wenn er schlief. Ihr Duft hatte ihn auf eine Weise getröstet, die er nie für möglich gehalten hätte.
Und jetzt fühlte er sich wie ein kompletter Idiot, dass jemand es herausgefunden hatte. Aber das Gefühl verschwand, als ihm klar wurde, dass ein anderer Mann die Kleidung von Kat in den Händen hielt …
Zornig stürmte Sin ins Zimmer zurück und riss den Schlafanzug Kish aus der Hand. »Darf ich mal? Du hast da etwas, das dir nicht gehört.«
»Tut mir leid.«
Er drehte sich um und bekam gerade noch mit, wie Damien grinste.
»Was glotzt du so?«
»Nichts. Ich versuche nur, mir vorzustellen, wie du einen Flanellschlafanzug mit Affen anhast. Ich bin sicher, Pink steht dir hervorragend.«
Kish brach in Gelächter aus. »Bei seiner Hautfarbe sieht er wahrscheinlich wirklich gut darin aus. Ich würde sagen, er ist ganz klar ein Herbsttyp.«
»Ein Sommertyp, du Schwachkopf.«
Sin schaute sie kühl an. »Ich finde es faszinierend, dass ihr so genau wisst, welche Farbpalette für Kleider zu welchem Typ passt.« Er wandte sich an Damien. »Und dass du ihn auch noch korrigierst, macht mir wirklich Angst.«
»Hey, ich bin hier nicht derjenige, der in pinkfarbenen Pyjamas schläft, also muss ich mir von dir nichts sagen lassen.«
Sin starrte ihn an. »Du hast Glück, dass du in meinem Kasino nichts unterschlagen hast, sonst würde ich dich auf der Stelle umbringen.« Damit kehrte er in sein Zimmer zurück.
Sin schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Ehe er sich zurückhalten konnte, drückte er den Schlafanzug an die Nase und sog den sanften einzigartigen Duft ein. Wie etwas so Dummes ihn einerseits trösten und ihn gleichzeitig niederschmettern konnte, begriff er nicht. Aber er konnte das, was er empfand, nicht verleugnen.
»Was habe ich getan?«
Er wusste es. Er musste Kat auf Distanz halten. Es war nur zu ihrem eigenen Besten. Wenn Ishtar von den Gallu getötet worden war, welche Chancen hatte dann Kat? Er würde ihre Sicherheit nie gefährden, nur weil er selbstsüchtig war.
Von seiner eigenen Schwäche abgestoßen, zwang er sich, den Pyjama aufs Bett zu werfen, und ging ins Badezimmer. Sobald er sich selbst im Spiegel sah, verstand er Damien und Kish. Er sah wirklich beschissen aus.
Seine Augen lagen tief in den Höhlen … und er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal rasiert hatte. Sein Haar war zottelig und ungepflegt. Kat würde vor ihm davonlaufen, wenn sie ihn so sehen könnte, und er roch wahrscheinlich genauso schlecht, wie er aussah.
Entmutigt ging Sin zur Dusche, um ihnen allen zu beweisen, dass er auch ohne Kat auskommen konnte.
Er wollte es nur einfach nicht.
Während er darauf wartete, dass das Wasser heiß wurde, ballte er die Faust und drückte sie an die kalte Wand neben der Dusche. Er schloss die Augen und konnte Kat ganz klar im Geiste vor sich stehen sehen … und sie fühlen.
»Sin?«
Beim Klang ihrer Stimme, die seinen Namen aussprach, erstarrte er. Es hörte sich an, als stünde sie direkt hinter ihm. Aber das konnte nicht sein.
Dann spürte er es: Die sanfte Berührung einer Hand auf seiner Schulter. Er hatte Angst, dass es nichts anderes war als eine Qual, die sein Geist ersonnen hatte,
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