Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
so wie damals, bevor sie ihm die Kleider vom Leib gerissen hatte. »Um diese Frage beantworten zu können, werden wir wohl den Springy Mountain absuchen müssen.«
»Wie bitte?«, kam es leise von seinen Lippen. Er wagte nicht zu hoffen – und hoffte dennoch.
Sie stand auf, griff sich beide Bierflaschen auf dem Tisch und reichte eine davon Luke, nachdem auch er sich aufgesetzt hatte, mit dem Rücken an die Theke gelehnt. Dann ließ sie sich neben ihm auf dem Boden nieder und setzte die Flasche an – und tat einen tiefen Zug. Und grinste plötzlich. »Meiner Ansicht nach haben wir drei Möglichkeiten: Wir können in der Skistation in die Garage meiner Familie einbrechen und eine der Schneeraupen entwenden; wir können ein paar Pferde meines Vetters Robbie klauen; oder wir können die vierzig Meilen zum Springy Mountain mit Schneeschuhen zurücklegen. Die Entscheidung liegt nun bei Ihnen, Dr. Renoir.«
Sie wollte nach Hause!
»Ich wüsste eine vierte Möglichkeit«, setzte er behutsam an, um ihren Elan nicht zu bremsen – und weil er nicht aus dem Team geworfen werden wollte. »Du könntest nach Hause gehen und deinen Eltern sagen, wie lieb du sie hast. Und dann könntest du sie fragen, ob wir uns eine der Pistenraupen ausborgen dürfen. Sicher sind sie so glücklich, dich wiederzusehen, dass sie uns gern ein Fahrzeug leihen.«
Sie sah ihn unwillig an.
»Was ist?«, fragte er mit plötzlich schwindender Hoffnung.
»Hast du nicht gesagt, du würdest alles tun, um mir zu helfen?«
»Das werde ich auch. Na klar doch.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und fragte sich, ob sein emotionales Zwischenhirn nicht seinen Untergang bedeutete. »Ich glaube nur, dass wir beide deine Eltern schon genug hinters Licht geführt haben. Sie auch noch zu bestehlen wäre der Gipfel, findest du nicht auch?«
»Also gut, dann beklauen wir eben Robbie.« Sie rollte sich auf Hände und Knie und kroch zum Sender. »Es wird zwar ganz schön kalt werden, den Springy im Sattel zu bewältigen, aber immer noch wärmer als mit Schneeschuhen.«
Er hielt sie am Arm fest, dann drehte er sie zu sich. »Camry, irgendwann musst du dich deinen Eltern doch stellen.«
»Ja, sobald wir den Podly gefunden haben.«
Sein Griff wurde fester. »Du meinst also, du könntest ohne Geschenk nicht nach Hause?« Er schüttelte den Kopf, ohne den Blick von ihr zu wenden. »Lass dir von einem Armleuchter von Sohn und Stiefsohn mal eines sagen: Eltern wollen von ihren Kindern nur eines: Liebe. Und ich habe sechs Jahre gebraucht, bis ich kapiert habe, dass Liebe Vertrauen bedeutet – seinen Eltern zu vertrauen.«
Sie funkelte ihn an, doch dann warf sie sich an seine
Brust, dass er gegen den Küchenschrank prallte. Schnell stellte er sein Bier ab, um seine Arme um sie zu schlingen, als sie ihr Gesicht in seinem Hemd begrub.
Er umfasste ihren Kopf mit beiden Händen. »Es wird klappen, das verspreche ich dir, Cam.«
»Sie werden mir nie verzeihen.«
»Natürlich werden sie das. Das haben sie ja schon.« Er hob ihr Kinn an. »Sie warten nur darauf, dass du dir selbst verzeihst.«
»Aber du begreifst nicht!«, flüsterte sie und drückte wieder ihr Gesicht an ihn.
»Dann erklär es mir«, bat er sie und zog sie noch enger an sich.
Sie seufzte leise und sagte nichts.
Luke begnügte sich damit, ihre Hand zu halten, während er den winzigen Sender anstarrte, der da neben dem Herd lag – und während er sich mit der Tatsache abfand, dass die Liste seiner Vergehen nun um den Diebstahl einer Schneeraupe erweitert würde.
10
L uke hatte keine zwanzig Minuten gebraucht, um seine Siebensachen in den Koffer zu werfen. Den Rest des Nachmittags hatte er damit zugebracht, den Sender des Podly zu studieren, der aus irgendeinem Grund nun nicht mehr piepste. Camry war in ihrem Zimmer geblieben, angeblich um zu packen, Luke hatte jedoch vermutet, dass sie ein Nickerchen machte.
Es war noch früh am Abend, sie saßen einander am Tisch gegenüber und aßen das Einzige, was er kochen konnte: Rührei und Toast.
Oder vielmehr, Camry war es, die aß. Sein Zwischenhirn erteilte ihm soeben eine fürchterliche Lektion bezüglich seiner Chancen. »Was soll das heißen: Ich soll im Hotel wohnen?«, fragte er. »Ich dachte, wir wollen am Morgen nach Pine Creek?«
»Ich möchte erst am Mittwoch fahren.« Sie stocherte mit der Gabel in ihrem Rührei herum. »Oder vielleicht am Dienstagabend, damit wir um Mitternacht in Pine Creek ankommen. Um diese Zeit ist es leichter,
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