Lockruf Der Leidenschaft
Stallknechts um Bridget befand, bemerkte sie, wie sehr sie all das vermisst hatte. Allmählich dämmerte ihr, was Nick ihr mit Sue geschenkt hatte - keine Kammerzofe, sondern eine Gefährtin, die von dem Arrangement ebenso profitieren würde wie Polly selbst.
Polly hielt ihre Finger in Richtung des Feuers und lächelte. »Ich bin halb verhungert, Sue. Lass uns zu Mittag essen.«
Susan stutzte. »Aber ich kann nicht mit dir zu Mittag essen. Ich muss in der Küche essen, gemeinsam mit der Hauswirtin und ihren Leuten.«
»Unsinn«, erklärte Polly und griff nach der Klingelschnur. »Wenn Mylord hier ist, ist dies gewiss das Beste. Aber wenn nicht, denke ich ja nicht im Traum daran, allein zu essen, wenn ich es stattdessen gemeinsam mit dir tun kann.«
Susan kicherte nervös, offensichtlich schockiert über Pollys unverblümte Erklärung, womöglich auch ein wenig geschmeichelt von Pollys Worten. Allerdings war Susan geistesgegenwärtig genug, um Polly bei der Klingelschnur zuvorzukommen und zu erklären, dass sie selbst nach unten gehen würde, um das Frikassee vom Kaninchen und vom Huhn zu holen, das die Pensionswirtin bereits zubereitet hatte.
Als Nicholas drei Stunden später zurückkehrte, hörte er Pollys und Susans Gelächter schon auf der Treppe. Vor der Salontür blieb er einen Augenblick stehen und überlegte, ob er anklopfen sollte, um sie auf das Erscheinen eines Eindringlings aufmerksam zu machen. Doch dann schüttelte er den Kopf und beschloss stattdessen, die Tür möglichst geräuschvoll zu öffnen.
Die Mädchen saßen mit Weinbechern in den Händen auf dem Boden vor dem Kamin, während auf dem Tisch noch die Überreste des Mittagessens standen. Polly wandte sich um, die Wangen gerötet vom Wein und der Wärme des Kaminfeuers. »Ich muss schon sagen, Mylord, Ihr steckt wahrlich voller Überraschungen, wie ein Lostopf«, erklärte sie mit gespieltem Vorwurf und erhob sich. »Obwohl ich das letzte Mal, als ich meine Hand in einen Lostopf gesteckt habe - das war letztes Jahr beim Jahrmarkt zum Martinstag - lediglich einen erbärmlichen Gewinn gezogen habe, eine Pfeife, wenn ich mich recht entsinne. Und dabei hatte ich gehofft, dass mein Viertelpenny mir irgendetwas ganz Wundervolles einbringt!« Strahlend kam Polly auf Nicholas zu.
»Das haben Lostöpfe nun einmal so an sich«, entgegnete Kincaid und schlang die Arme um ihre Taille. »Man hat immer die Hoffnung, dass die blinden Finger, mit denen man darin herumwühlt, einem den großen Preis einbringen, der viel mehr wert ist als der Viertelpenny, den man eingesetzt hat. Aber wenn das der Hall wäre, dann wäre es für den Budenbesitzer wohl kaum ein einträgliches Geschäft.« Nicholas schmunzelte. »Dieser Sieg der Hoffnung über die Erfahrung ist nun einmal Teil der menschlichen Natur.«
»Aber ich habe einen Lostopf gefunden, bei dem die Gewinne den Einsatz bei weitem übertreffen«, bemerkte Polly leise und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. »Dennoch muss ich Euch sagen, Sir, dass ich glaube, auch Ihr seid reichlich verschlagen, wenn es darum geht, Euer eigenes Ziel zu erreichen.« »Mein Ziel ist lediglich, deine Unterstützung in Angelegenheiten zu finden, in denen du leider eine gänzlich unpassende Hartnäckigkeit beweist«, antwortete Nicholas und küsste sie auf den Mundwinkel. »Aber ich sehe, dass ich dieses Mal ausnahmsweise
Erfolg hatte.« Er blickte über Pollys Kopf hinweg zu der zutiefst verlegenen Susan hinüber, die angesichts dieser offenen Zurschaustellung von Zuneigung nicht wusste, wohin sie sehen sollte.
»Susan, hat sich alles zu deiner Zufriedenheit ergeben?«, fragte Nicholas freundlich in dem Versuch, dem Mädchen die Verlegenheit zu nehmen. Doch unglücklicherweise hatte diese entgegenkommende Geste zur Folge, dass es ihr endgültig die Sprache verschlug.
»Oh, aber natürlich hat es das!«, rief Polly ungeduldig. »Und bis Ihr erschienen seid, hatten wir sogar eine wunderbare Zeit.«
»Ich bitte um Entschuldigung, Madame.« Nicholas vollführte eine Verbeugung. »Ich werde mich umgehend wieder entfernen.«
»Dummkopf!« Pollys Augen funkelten vor lauter Vergnügen. »Das hatte ich doch nicht gemeint, und das wisst Ihr auch ganz genau.«
»Susan, warum räumst du nicht schon einmal den Tisch ab. Es scheint mir, als ob das Geschirr da nun schon lange genug gestanden hätte«, erklärte Nick, der Mitleid mit dem Mädchen hatte.
Susans Erleichterung darüber, sich endlich einer vertrauten Aufgabe
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