Lockruf Der Leidenschaft
Anschließend werde ich hier Die rivalisierenden Damen aufführen. Das ist eines der Lieblingsstücke des Königs und bietet einer Schauspielerin Gelegenheit, all jene Vorzüge, die sie möglicherweise vorzuweisen hat, auch zu zeigen.« Nicholas und er tauschten einen wissenden Blick, während Polly verwirrt zwischen den beiden Männern hin- und hersah.
»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz. Was ist denn Eure Schulungsstätte, Master Killigrew?« »Eine Schauspielschule«, entgegnete er. »In einem Theater in Moorfields führe ich auch Stücke auf. Das Publikum weiß zwar nicht immer alles zu schätzen, aber es liefert einer Novizin dennoch wertvolle Erfahrungen. Ihr werdet dort eine Menge lernen -nicht zuletzt, wie man auch die geistig ein wenig abwesenden oder sogar feindseligen Theaterbesucher für sich gewinnt.«
»Ich würde aber lieber hier anfangen«, erwiderte Polly und deutete auf das Theater um sie herum. »Warum kann ich nicht auch hier die Fertigkeiten und Techniken erlernen, von denen Ihr sprecht?«
»Weil Ihr dies zulasten der erfahreneren Schauspieler tun würdet. Und die legen nun einmal keinen allzu großen Wert darauf, mit einem Neuling aufzutreten, meine Liebe, wie talentiert dieser auch sein oder das Gefühl haben mag, dass es für ihn nichts mehr zu lernen gäbe.«
Polly verzog das Gesicht und schluckte diese Bemerkung. Obwohl Nick die Berechtigung dieser Brüskierung nicht entgangen war und er durchaus Verständnis für Killigrews Bestreben hatte, von Anfang an klarzustellen, wer das Sagen hatte, empfand er einen Anflug von Mitleid für sie. »Du hast nur eine einzige Chance, die Zustimmung des Königs zu gewinnen, Polly. Deshalb ist es gewiss klüger, diese Chance erst dann wahrzunehmen, wenn du ausreichend darauf vorbereitet bist.«
»Ja. Ich verstehe. Und ich bitte um Entschuldigung, Master Killigrew, wenn ich den Eindruck erweckt haben sollte, anmaßend und von mir eingenommen zu sein.« Polly blickte ihn aus ihren großen, leuchtenden Augen an, und auf ihren Lippen schwebte zitternd ein Lächeln, sodass Thomas augenblicklich ein überwältigendes Gefühl der Reue überkam.
Er lächelte sie freundlich an. »Nein, nein, meine Liebe. Das hatte ich auch nicht gedacht. Es ist ganz normal, dass Ihr bei einer solchen Verzögerung ungeduldig werdet. Aber Ihr müsst mir vertrauen, versteht Ihr?« »Oh, aber das tue ich doch!«, beteuerte Polly nachdrücklich, die Hände vor ihrer Brust gefaltet. »Ich werde tun, was immer Ihr mir ratet. Ich bin Euch ja so dankbar -«
»Das reicht wohl, Polly«, warf Nicholas eilig ein, der spürte, dass Killigrew im Begriff stand, unter der geballten Macht ihres schmelzenden Blickes und der flehentlichen Bitte, ihre Buße anzunehmen, in eine Art hypnotische Trance abzugleiten.
Killigrew blinzelte verwirrt, während Polly sich vorwurfsvoll zu Nicholas umwandte. »Ich habe es ernst gemeint! Das habe ich nicht nur gespielt. Es tut mir wirklich Leid, wenn ich eingebildet und aufdringlich gewirkt haben sollte - abgesehen davon natürlich, dass ich nicht glaube, dass ich das war.«
Um Nicks Lippen zuckte es amüsiert. »Du bist ein raffiniertes kleines Biest! Ihr werdet Euch noch an ihre Tricks gewöhnen, Killigrew. In ihr steckt mehr List und Tücke als in einem Karren voller Affen. Aber das werdet Ihr noch an Eurem eigenen Leibe zu spüren bekommen, das kann ich Euch versprechen.«
»Das sehe ich langsam auch so«, murmelte Thomas und strich sich übers Kinn. »Ich täte also offensichtlich gut daran, mich ein wenig vorzusehen.« Er lachte leise. »Aber in diesem Spiel bin ich bereits ein alter Hase, Mistress Wyat, seht Euch also besser vor, ehe Ihr die Klinge mit mir kreuzt.«
»Aber, Sir, ich würde doch niemals die Unverfrorenheit besitzen, so etwas überhaupt zu wagen.« Mit einem tiefen Knicks demonstrierte sie ihm ihre Ehrerbietung, schwang ihre Röcke zur Seite und neigte ihren Kopf gerade so, dass sie ihm die schlanke Säule ihres Halses darbot, während ihre kleinen Löckchen nach vorne fielen - es war die Haltung der vollkommenen Unterwerfung, und doch strahlte von jeder Faser ihres Körpers eine kokette Frechheit aus.
Killigrew brach in Gelächter aus. »Ah, Mistress Wyat, ich sehe schon, dass Ihr im Bühnenknicks noch Eure Berufung finden werdet. Er ist bei weitem die wichtigste aller Posen, die eine Schauspielerin zu bewältigen hat, und Ihr scheint mir in dieser Hinsicht schon sehr professionell, auch ohne die Unterstützung eines Korsetts.
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