Lockruf Der Leidenschaft
Ihr hattet wohl einen äußerst gewandten Tanzlehrer, wie ich vermuten darf.«
»Äußerst gewandt«, stimmte Polly zu und erhob sich vorsichtig. Sie warf rasch einen verstohlenen Blick zu Nicholas hinüber, bei dem die Vorstellung eines Tanzlehrers in der Taverne »Zum Hund« einen unangebrachten Heiterkeitsausbruch auszulösen drohte. »In Fragen des Benehmens war meine Gouvernante unglaublich streng, Sir«, fuhr Polly ungeniert fort. »Für ihre Fürsorge bin ich ihr auf ewig zu Dank verpflichtet.« Nicholas, der sich nicht sicher war, wozu Pollys Erfindungsreichtum sie noch verleiten würde, beschloss, dass die Unterhaltung zu sehr auf gefährliche Gefilde zusteuerte, um noch lustig zu sein. Andererseits war nicht zu übersehen, dass Polly jede einzelne dieser verteufelten Minuten genoss, und er konnte beinahe hören, wie Killigrew im Geiste versuchte, sie einem angemessenen sozialen Hintergrund zuzuordnen.
»Es wird spät, Thomas«, bemerkte Nicholas. »Außerdem haben wir für heute wahrlich genug von deiner Zeit in Anspruch genommen.« Er streckte Killigrew die Hand hin. »Meinen aufrichtigsten Dank.« »Im Gegenteil«, erklärte Killigrew und ergriff die Hand, »ich sollte dir danken.«
Aber Polly bekommt kein Wort des Dankes zu hören, dachte Polly. Doch ihr Unmut verflog rasch wieder. Ihre Laune war viel zu gut, um kleinlich zu sein und Protest anzumelden. Und wenn diese beiden sich zu dem gratulieren wollten, was auch immer Polly zu bieten hatte, dann sollten sie es ruhig tun - Pollys Segen hatten sie. Sie würde derweil in der berauschenden Gewissheit ihres Erfolges schwelgen und sich selbst auf die Schulter klopfen. Der Abgrund der Hoffnungslosigkeit war überwunden.
Als sie vor dem Theater standen, nahm Nicholas ihren Arm. »Es wird nicht ganz einfach werden, fürchte ich, wenn man zum Beispiel von dir erwartet, dass du die Schritte eines Coranto vorführst. Dann wird sich herausstellen, dass dein imaginärer Tanzlehrer nicht ganz so gewandt war.«
»Oh, natürlich, aber das glaube ich nicht, Sir«, erwiderte Polly mit einem schelmischen Lächeln unter der Pelzkapuze ihres Umhangs. »Ich dachte bisher immer, Ihr seid ein äußerst gewandter Tänzer! Sagt jetzt nicht, dass das nicht stimmt! Ich dachte, diese Fähigkeit sei für einen Höfling unerlässlich?«
»Oh, dann soll ich dir also das Tanzen beibringen, ja? Ich hätte nie gedacht, dass mir der Titel >Tanzmeister< einmal verliehen würde ... oder >unglaublich strenge Gouvernante<«, sinnierte Kincaid. »Das klingt so würdelos. Aber ich wage zu behaupten, dass ich diese Aufgabe auf mich nehmen werde, so wie ich mich auch schon um all die anderen Dinge gekümmert habe.« Nicholas blickte in ihr Gesicht und dachte an all das, was er sie bereits gelehrt hatte, an den wundervollen Zauber, den sie zumindest auf einem Gebiet besaß, wenn sie das Gelehrte von ihm annahm, ehe sie es auf ihre eigene besondere Weise in die Tat umsetzte. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, die Initiative den kreativen Impulsen dieses mitreißenden Geschöpfes zu überlassen, wenn sie sich liebten.
Pollys Augen funkelten in der hereinbrechenden Dämmerung, und sie machte einen kleinen Freudensprung auf ihren hochhackigen Schuhen, während der Winterwind mit seinen eisigen Fingern über ihre Gesichter strich. »Also werde ich doch noch Schauspielerin! Jetzt werde ich es tatsächlich!«
»So sieht es aus«, stimmte Nick gelassen zu, als spüre er nicht bereits ein geradezu glühendes Verlangen nach ihr, als rausche ihm das Blut nicht bereits in den Ohren, als riefen die Berührung ihrer Finger auf seinem Ärmel und das Wissen um ihren verführerischen Körper neben ihm etwa nicht eine Kette leidenschaftlichster Reaktionen hervor, die sich in irgendeiner Form manifestieren mussten, wenn er nicht unter seinem verzehrenden Verlangen in Flammen aufgehen wollte.
Die Spannung sinnlicher Erregtheit stand geradezu knisternd zwischen ihnen, und Polly rang nach Atem, als die Kraft sie ohne jede Vorwarnung verschlang. Sie grub ihre Finger in Nicks Arm, drückte ihren Körper gegen ihn und hob ihm ihr Gesicht entgegen, die Lippen einladend geöffnet, die Augen leuchtend und voll drängender Leidenschaft.
»Gütiger Gott!« Nick blieb abrupt in der eisigen Straße stehen. »Ich habe noch nie ein solches Verlangen gefühlt. Es frisst mich geradezu auf.«
»Jetzt«, flüsterte sie eindringlich und drängte sich fiebernd vor Verlangen an ihn, ungeachtet des eisigen Windes und
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