Lockruf Der Nacht
geschlagen.«
»Er hat dich geschlagen?«, rufe ich voller Entsetzen aus. Das hat sich bei mir noch keiner gewagt und ich glaube ich würde zur Mörderin werden, wenn … Meine Gedanken verstummen und denken an Joe, der mich geschlagen hat und jetzt tot ist. Ich habe Lilith nichts davon erzählt und werde es auch nicht. Es bleibt mein Geheimnis, was in dieser Nacht geschah.
Lilith grinst mich an. »Ich hab mit der Faust zurückgeschlagen und ihn aus dem Bett getreten. Der hat mich vielleicht angesehen.«
»Das hast du nicht?«
»Doch. Ich glaube er war ziemlich wütend.«
»Und ich dachte es wäre Liebe auf den ersten Blick.«
»Ja, sah vielversprechend aus.« Lilith seufzt theatralisch.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass spätestens übermorgen alles vergessen ist und ein neuer Verehrer auf Liliths Matte steht.
»Als du da so in seinen Armen gelegen hast … mein Gott war das romantisch. Er sah so besorgt aus und …«
Mir bleibt bei ihren Worten fast das Herz stehen, aber ich spiele die Gleichgültige und stehe auf, um den Tisch abzuräumen. »Und was?«
»Ich weiß nicht, es sah so … vertraut aus. Ich kann es nicht beschreiben.«
»Wirklich? Inwiefern?« Mein Herz hüpft wild in meiner Brust, als wollte es sich aus der Enge meines Körpers befreien. Ich stelle das Geschirr in den Geschirrspüler und atme tief durch. »Das ist doch Quatsch. Ich kenne den Bruder von Yven doch gar nicht.«
»Ich schwöre es dir.«
»Das hast du dir sicherlich eingebildet.«
»Nein, habe ich nicht.
Bedauerlicherweise kann sie Payton nun nicht mehr nach dem Namen seines Bruders fragen. Ich werde mich also wieder einmal in Geduld üben und eine andere Gelegenheit abwarten müssen. Obwohl ich keine Erinnerung mehr an das habe, was passiert ist, bin ich mir ziemlich sicher, seine Stimme gehört zu haben, die meinen Namen rief.
Mein Handy klingelt. Es ist Yven. Genau richtig, denke ich. Er wird Licht ins Dunkel bringen können. »Hi Yven.«
»Seid ihr gut nach Hause gekommen?«
»Ja sind wir. Danke der Nachfrage.«
»Was macht der Kopf?«
»Geht wieder.«
»Schön. Ich wollte dich fragen, ob ich dich zum Essen einladen darf. Gestern hatten wir nicht allzu viele Möglichkeiten zu reden und ich dachte …«
»Du warst ja auch schwer beschäftigt mit der anderen jungen Dame«, unterbreche ich ihn und klinge fast eifersüchtig, obwohl ich das gar nicht bin.
»Du meinst Melinda?«
»Keine Ahnung, du hast sie mir nicht vorgestellt.« Verdammt das klang zickig.
»Tut mir leid. Sie ist eine alte Schulfreundin von mir. Wir hatten uns viel zu erzählen«, erklärt er sich.
Lilith steht mit dem restlichen Geschirr vor mir und sieht mich fragend an.
»Ist ja auch kein Problem«, lenke ich ein. »Klar, ruf mich doch einfach an, wenn du Zeit hast.«
»Wie wär´s mit morgen?«
»Ja, in Ordnung.« Je eher, desto besser. Als ich aufgelegt habe, sieht Lilith mich immer noch mit großen Augen an.
»Was ist?«
»Ich dachte Du interessierst dich nicht für Yven. Nicht dein Typ.«
Ausnahmsweise hat sie sich das gemerkt. »Ich kann doch trotzdem mit ihm essen gehen, oder?«
»Sicher kannst du das.«
Lilith merkt, dass ich nicht bester Stimmung bin und lässt mich in Ruhe. Ich bin plötzlich furchtbar müde und ziehe mich zurück. Wieder einmal versuche ich mich an dem einen Buch, bei dem ich schon seit geraumer Zeit auf der Stelle lese. Nach zehn Minuten fangen die Buchstaben an zu tanzen, die Zeilen verschwimmen und die Lider werden schwerer. Wie soll ich da je dieses Buch beenden? Schließlich gebe ich auf, lege das Buch zur Seite und überlasse mich dem Schlaf.
21.
»Leia?! … Leia!«
Die Stimme kommt von weit her und holt mich aus der Dunkelheit. Lilith steht an meinem Bett. »Leia!«
»Was ist los?« Wieder weckt sie mich als wären wir bei der Army.
»Dein Nachbar steht vor der Tür.«
»Was? Welcher Nachbar?« Ich versuche wach zu werden, meine Sinne zu mobilisieren und schwinge meine Beine aus dem Bett.
An der Tür steht tatsächlich der Nachbar, der für mich das Bild entgegengenommen hat. Er wohnt direkt eine Tür weiter und erzählt mir, dass er einen Feuchtigkeitsfleck an der Seite hat, genau dort, wo meine Küche ist. Wir sehen uns den Schaden gemeinsam an und suchen bei mir an der vermeintlichen Stelle. Doch bei mir ist alles trocken, keine Feuchtigkeit, kein Schimmel, nichts.
»Bei dir war ja neulich ziemlich was los.«
Ich sehe ihn an und hab keine Ahnung, wovon er spricht. »Was meinst
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