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Lockruf Der Nacht

Lockruf Der Nacht

Titel: Lockruf Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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ohnmächtig, sodass man den Notarzt rufen wollte.«
    »Nach deiner Beschreibung war er es aber«, sage ich trotzig und werde im gleichen Moment unsicher.
    »Ich habe ihn nicht einmal richtig gesehen. Ich weiß nur, dass er mindestens einen Meter achtzig und ziemlich gut gebaut ist, was ich so im Vorbeigehen gesehen habe und seine Haare sehr dunkel sind.«
    »Und seine Augen?«
    »Hell, stechend, soweit ich mich erinnere.«
    »Siehst du, genau so sieht er aus.« Ich komme mir gerade wie eine Idiotin vor. Natürlich passt die Beschreibung auf jeden x-beliebigen anderen Mann, aber mein Gefühl sagt mir, dass er es war.
    Ich ziehe sie vom Sofa, zerre sie hoch in mein Schlafzimmer und bleibe vor dem Ölbild stehen. Mit dem Finger zeige ich auf den Seiltänzer. »Das ist er.«
    Lilith geht dichter an die Figur heran und beäugt sie mit prüfendem Blick.
    Ich spüre meinen schnell schlagenden Puls deutlich am Hals. Zum einen, weil ich mein Geheimnis preisgebe und mich sicherlich gleich noch lächerlicher mache als ich es eh schon gemacht habe und zum anderen: Wird sie ihn wiedererkennen?
    In Liliths Augen spielt sich etwas ab, das ich nur schwer deuten kann. Sie sieht mich an und nickt verhalten. »Ich bin mir nicht sicher, aber …«
    »Aber?«
    »Ich hab sein Gesicht nur ganz kurz gesehen. Es war dunkel im Gang und … er hat nur dich angesehen, sonst niemanden.«
    Ohne es zu wollen muss ich grinsen.
    »Aber wie gesagt, ich bin mir nicht sicher.«
    Sie will es nur nicht zugeben, zumal sie selbst in einer bedrückten Stimmung ist. Ich frage also nicht weiter nach, denn ihr Blick hat alles gesagt.
     
    In der folgenden Nacht passiert etwas, wovor ich die ganze Zeit am meisten Angst hatte.
    Mo sitzt an meinem Bett. Alles ist dunkel, nur das seichte Licht, das durch meine Dachfenster dringt, erhellt sein schönes Gesicht. Nicht mal seine Augen kann ich erkennen. »Ich werde für längere Zeit nicht mehr kommen können.«
    Seine Worte sitzen wie eine Ohrfeige, denn ich fühle, dass er mir nicht die Wahrheit sagt. Er wird gar nicht mehr kommen. »Was? Was heißt das?« Meine Stimme klingt erstickt. Ich rücke dichter an ihn heran, umarme ihn von hinten und lege mein Gesicht in seinen Nacken. Er riecht wieder nach frischem Regen und Wind. »Warum?«
    »Ich kann es dir nicht erklären. Du musst mir vertrauen, Leia.«
    Was soll ich sagen? Die Vorstellung, ihn nicht mehr zu sehen, lähmt mich. »Das kannst du doch nicht ernst meinen?«, frage ich voller Verzweiflung und meine Stimme zittert. »Bitte nicht! Mo!« Ich kletter aus dem Bett und knie mich vor ihn hin. Auf seiner Brust schimmert eigentümlich ein wunderschönes Amulett.
    Mit seinen Fingerspitzen berührt er meine Wange und fährt wieder die Linie meines Kinns nach, wie er es schon so oft getan hat. Seine Berührungen sind wie ein Lufthauch.
    »Sag mir wenigstens einen Grund. Nur einen!« Ohne es zu wollen, füllen sich meine Augen mit Tränen.
    Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Einen Kuss, den ich kaum spüre und doch versuche ich jetzt schon, mich an seine Berührung zu erinnern.
     

22.
    Ich wache von meinem tränennassen Gesicht auf und sehe mich um. Auf der Bettkante sitzt niemand mehr. Die letzten Stunden der Nacht liege ich wach und hoffe, wünsche mir, dass es nur ein Traum war. Ein Albtraum.
    Meine letzte Hoffnung lege ich in Yven und seine Einladung zum Essen. Ich nehme mir vor, ihn einem Verhör zu unterziehen wie beim CIA. Ich will alles wissen. Alles über seine beiden Brüder, über den Tod seiner Mutter und seinen Vater, über den niemand etwas weiß. Dieses Mal wird er mir nicht mit seinen knappen Antworten davonkommen. Doch Yven meldet sich nicht. Den ganzen Sonntag sitze ich daheim und warte vergeblich auf seinen Anruf. Gegen Spätnachmittag ergreife ich schließlich die Initiative und rufe ihn selbst an. Die Stimme der Mailboxtante sagt mir, dass der Teilnehmer zurzeit nicht erreichbar ist. Mist.
    An die Stelle von Schmetterlingen ist ein Knoten getreten. Ein Knoten in meinem Inneren, der mich einschnürt und mir die Luft zum Atmen nimmt.
    Lilith war heute Morgen bereits weg als ich aufgestanden bin, was mir auch sehr recht war. Jetzt steht sie mit drei Koffern, einer Lampe unter dem Arm und drei Mänteln über der Schulter in der Tür und sieht mich stirnrunzelnd an. »Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Was ist passiert?« Sie lässt alles an Ort und Stelle stehen und kommt zu mir.
    »Habe nur an meine

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