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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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daran gedacht zu haben«, fauchte Theo, während er das Papier überflog.
    »Bitte, Sir, sehen Sie es sich nur an. Ich kann Ihnen versichern, daß es völlig in Ordnung ist. Da sehen Sie das Datum und darunter mein Siegel.«
    Theo las einen Moment schweigend, dann legte er das Dokument auf den Schreibtisch zurück. Der Blick, den er auf Colin richtete, war voller Haß.
    »Du – du hinterhältiger Schurke«, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Du hast es die ganze Zeit gewußt. Du hast das getan, meinen Großvater gegen uns aufgehetzt, während wir weg waren. Aber glaub ja nicht, daß du damit durchkommst.«
    Colin erhob sich. Mühsam die Fassung bewahrend sagte er: »Ich versichere Ihnen, Sir, daß ich davon nichts wußte.«
    »Ach was! Natürlich wußtest du es!« schrie Theo ihn an. »Du hinterhältiger, gerissener – «
    »Das reicht!« unterbrach ihn plötzlich eine scharfe Stimme.
    Wir drehten uns alle dem Kamin zu und sahen zum erstenmal, daß eine sechste Person sich im Zimmer befand. In einem tiefen Lehnstuhl verborgen, der mit dem Rücken zu uns stand, hatte meine Großmutter alles mitangehört.
    Allein durch ihre Anwesenheit gelang es ihr jetzt, dem Streit zwischen Theo und Colin ein Ende zu machen. Mit ihren knochigen Händen umfaßte sie energisch die Armlehnen ihres Sessels und richtete sich unsicher auf. Sie war groß und mager. Das schwarze Seidenkleid hing viel zu groß an ihrem Körper. Das schlohweiße Haar stand in hartem Kontrast zu den zornig blitzenden schwarzen Augen.
    »Mr. Horton spricht die Wahrheit«, sagte sie kalt. »Bei der Eröffnung seines Testaments vor zehn Jahren habt ihr alle gehört, daß er das gesamte Vermögen seinem einzigen überlebenden Sohn Henry vermacht hatte. Aber er hatte in meinem Beisein eine Klausel angefügt, die die Erbfolge regeln sollte für den Fall, daß Henry ohne Testament sterben sollte – er wußte, wie plötzlich der Tod zu den Pembertons kommt. Nun, und so war es ja auch. Immer schon war es der Wunsch meines Mannes, daß Richards Sohn, nicht Henrys, sein Nachfolger werden sollte. Immer schon wollte er Colin als seinen Erben. Nun ist es so gekommen.«
    Ihre Stimme verriet nichts darüber, was sie selber dachte. Ob sie nun die Wahl ihres verstorbenen Mannes guthieß oder nicht, sie zeigte es nicht.
    »Ein Fluch lastet auf unserer Familie. Mein Mann ist ihm zum Opfer gefallen. Meine drei Söhne sind ihm zum Opfer gefallen. Und auch meine beiden noch lebenden Enkel werden ihm zum Opfer fallen.« Wenn dies ein Versuch war, unser Mitgefühl zu wecken, so mißlang er. Ihre Stimme war ohne Wärme, ihr Gesicht so regungslos, daß keiner Mitleid empfinden konnte. Statt dessen war ich zutiefst verwundert über ihre eisige Ruhe, ihre unbeugsame Härte unmittelbar nach dem Verlust ihres letzten Sohnes. Wenn sie trauerte, so zeigte sie es nicht. »Wir werden Sir Johns letzten Wunsch achten«, fuhr sie in gebieterischem Ton fort, und ihre schwarzen Augen richteten sich auf Colin. War das Zorn in ihnen? Haß? Oder war es vielleicht Triumph? Dann wandte sich meine Großmutter dem Anwalt zu. »Mr. Horton?«
    Er räusperte sich. »Aus uns unbekanntem Grund versäumte es Henry Pemberton, ein Testament zu machen. Vielleicht war es Nachlässigkeit, vielleicht ein Versehen. Wie dem auch sei, es ist nichts Ungewöhnliches, daß jemand diese Dinge bis zur letzten Minute aufschiebt und ihm das Schicksal dann keine Zeit mehr läßt, seine Angelegenheiten zu regeln. Wie ich schon sagte, im allgemeinen werden dann solche Fälle vor Gericht verhandelt, in unserem besonderen Fall jedoch ist das nicht notwendig. Wir haben eine rechtlich gültige Regelung.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Sir John Pemberton hat auch für die weiblichen Mitglieder der Familie Vorsorge getroffen. Das heißt, für sie wird immer in dem Rahmen gesorgt sein, den sie selbst wünschen, solange sie unter diesem Dach leben. Sollten sie Pemberton Hurst verlassen, so steht ihnen keinerlei Unterstützung oder finanzielle Abfindung zu.« Marthas Nadeln standen einen Augenblick still, und plötzlich herrschte für einen Augenblick erdrückendes Schweigen. Dann, ohne eine Veränderung in Miene oder Haltung, begann sie wieder zu stricken. »Das ist alles, meine Damen und Herren. Eine Abschrift des Testaments liegt hier zu Ihrer Einsichtnahme aus. Wenn Mr. Colin Pemberton im Laufe der nächsten Woche in meiner Kanzlei vorsprechen möchte, werde ich ihn über alle Einzelheiten unterrichten. Gibt es

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