Lockruf des Blutes
Kerle machen das große Geschäft im Internet. Sie können zwar versuchen, ihre Daten zu löschen, aber jede Datei hinterlässt eine Spur, die Experten auf der Festplatte verfolgen können. Das sind dann meist die Beweise, die für eine Verurteilung sorgen.«
Gute und schlechte Neuigkeiten. Ich sehe innerlich diesen Laptop vor mir, der aus Ryans Hand fliegt, an die Wand meiner Garage knallt und als Häufchen Splitter auf dem Betonboden landet. Mein Fehler. Andererseits schien Ryan sich darüber nicht sonderlich aufzuregen. Im Gegenteil, er hat sogar gesagt, er würde Daten retten können. Ist das wirklich möglich?
»Was passiert, wenn so ein Computer – sagen wir mal – herunterfällt?«, frage ich.
Wieder einmal starrt Max mich mit echtem Polizistenblick an. »Von was für einem Computer reden wir hier genau, Anna?«
»Ich meine, rein theoretisch. Wenn ein Computer zerbricht oder kaputtgeht, kann man dann noch Daten retten?«
Er nickt langsam, aber reserviert, als fürchte er, eine positive Antwort könnte als Ermunterung zu etwas aufgefasst werden, womit er nicht einverstanden ist. »Durchaus möglich. Kommt darauf an, wie schwer er beschädigt ist und wie gut sich der Kerl, der daran arbeitet, mit so etwas auskennt.« Er verschränkt die Arme vor der Brust. »Würdest du mir bitte sagen, warum wir diese Unterhaltung führen?«
Aber ich habe schon, was ich brauche. Zeit, das Thema zu wechseln. »Wir brauchen doch kein Baby zu machen, um Spaß am entsprechenden Vorgang zu haben, oder, Max?« Ich stelle meinen Drink auf den Couchtisch und schlüpfe aus dem Bademantel.
Offensichtlich nicht. Max lässt die Arme sinken und sieht mir zu. Bis ich den Schlafanzug losgeworden bin, ist das einzige Equipment, das ihn noch interessiert, das zwischen seinen Beinen.
Diesmal lassen wir es langsam angehen. Lange, genüssliche Küsse. Finger, die necken und aufreizen. Als die Spannung zu stark wird und wir beide mehr als bereit sind, schiebt Max die Hände unter meinen Po, und ich biege mich ihm entgegen.
Ich überlasse Max die Führung und bewege mich in seinem Rhythmus. Ich lausche seinem Herzschlag, sehe den Puls unterhalb seines Kiefers pochen. Ich lecke darüber, schmecke das Salz in seinem Schweiß, der sich an seinem Hals sammelt. Meine Lippen umschließen die Stelle und saugen sacht. Max stöhnt und presst sich noch fester an mich.
Plötzlich ist Avery wieder da. Diesmal jagen seine Worte einen Schauer durch meinen ganzen Körper. Stell dir nur vor, wie schön du es für ihn machen könntest, Anna. Der herrlichste Sex, den Max je gehabt hat.
Ich berühre die pulsierende Ader mit brennenden Fingern. Max’ Blut strömt genau hier vorbei, unter dieser dünnen Schicht Haut – eine Schicht, die ich mit Leichtigkeit durchdringen kann. Meine Hand zieht seinen Kopf tiefer herab. Er wehrt sich nicht. Er rast auf den Höhepunkt zu.
Aber ich kann es nicht. Ich bringe es nicht über mich, bei Max zu trinken. Wenn ich das tue, würde ich meinen schwachen Rückhalt an dem, was in mir noch menschlich ist, endgültig verlieren. Und in dem Augenblick, da ich das erkenne, habe ich ihn verloren. Ich bin wie ein Surfer, der eine Sekunde zu lang wartet, in die Welle zu schwenken. Max wird von der Flut seiner Leidenschaft von mir weggerissen, und ich bleibe allein zurück und kann nur zusehen.
Kapitel 19
M ax ist bewusst, dass unser letztes Mal nicht so befriedigend für mich war wie das erste. Der Ausdruck in seinen Augen macht mir klar, dass er fürchtet, er sei daran schuld, weil er mit seinem Gerede von einem Baby etwas in unserer Beziehung zerstört hat.
Ich kann ihm nicht die Wahrheit sagen. Ich kann ihm nicht sagen, dass er überhaupt nichts dafür kann, was da passiert ist. Die Versuchung, von ihm zu trinken, hätte mich beinahe überwältigt. Ich kann es nicht fassen, wie kurz ich davor stand, es tatsächlich zu tun.
Ich will jetzt nicht darüber nachdenken, und ich will das Schicksal nicht noch einmal herausfordern. Stattdessen erzähle ich ihm lächelnd, ich sei müde. Was auch stimmt. Und dass alles nach einer erholsamen Nacht gleich ganz anders aussehen würde. Was hoffentlich stimmt.
Er steht auf und geht ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Ich breche auf dem Bett zusammen und warte, bis er fertig ist. Das Bad mit jemandem zu teilen, geht nicht mehr – vor allem kein Bad mit so großen Spiegeln. Nicht, wenn man ein Vampir ist. Als das Telefon klingelt, ist es kurz nach zehn.
Es ist meine Mutter.
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