Lockruf des Blutes
du?
Ich esse kein Hundefutter , erwidert er spitz. Und ich dachte, du hast einen menschlichen Freund. Zumindest weiß ich, dass es einen Menschen gibt, mit dem du Sex hast, denn ich kann es an dir riechen. Warum trinkst du nicht bei ihm wie jeder normale Vampir?
Wie jeder normale Vampir? Diese Unterhaltung wäre unter anderen Umständen zum Schreien komisch. Aber sie jetzt mit einem Mann zu führen, der das schlimmste Monster sein könnte, das mir je begegnet ist, bringt mein Blut zum Kochen. Ich habe schon viel zu viel Zeit verschwendet. Ich will Trish finden, und zwar schnell. Ich strecke den Arm aus und packe Frey im Genick. Knurrend zerre ich ihn aus dem Sitz und halte sein Gesicht dicht vor meinen Mund.
Ich frage mich, wie es wohl wäre, bei einem Gestaltwandler zu trinken.
Ich spüre, wie sich sein Körper anspannt und er die Hände hebt, um mich abzuwehren. Doch bevor er die Chance dazu bekommt, zerreiße ich mit den Zähnen seinen Hemdkragen, lege den Hals frei und beiße mich durch Haut und Knorpel mit einer Wildheit, die ihn vor Angst erstarren lässt. Darryl hat meinen Durst geweckt. Er tobt in mir. Ich finde die Schlagader, grabe die Zähne hinein und trinke. Jetzt werde ich die Wahrheit über Daniel Frey erfahren.
Es ist interessant, wie der Geschmack und die Eigenschaften von Blut verschiedener Spezies variieren. Menschliches Blut schmeckt wie eine Mineralientablette in warmem Salzwasser, nicht besonders entwickelt. Aus menschlichem Blut kann man kein Gefühl für das Individuum beziehen, was nicht gut ist, wie ich gerade von meinem Kumpel Darryl gelernt habe. Vampirblut hingegen ist komplexer, wie ein guter Wein. Es enthält die Essenz des Lebens dieses Vampirs, seine gesamte Geschichte, stark reduziert und leicht zugänglich. Wenn man von einem Vampir trinkt, nimmt man in sich auf, was er ist, oder zumindest das, was er einem von sich vermitteln will. Ich weiß inzwischen von Avery, dass es möglich ist, seine wahre Natur unter dem Deckmäntelchen der Liebe zu verstecken.
Daniel Frey ist ein völlig anderes Geschöpf. Sein Blut ist ätzend, sauer, es brennt in meiner Kehle. Zuerst spüre ich nichts außer dem Rausch der Energie, als seine Lebenskraft in meine übergeht. Ich brauche mehr. Ich zerre an seinem Hals herum, sauge kräftiger, ignoriere sein Stöhnen und die Hände, die schwächliche Versuche machen, mich abzuwehren.
Ich öffne ihm meinen Geist. Sag mir, was du mit Trish gemacht hast.
Seine Gedanken sind wirr, lethargisch. Ich verstehe nicht. Ich habe dir doch gezeigt, dass sie in Sicherheit ist.
Ein Trick. Ich weiß Bescheid über deine Vergangenheit. Ich weiß Bescheid über Boston.
Ich lasse ihn meine Erinnerung an das Gespräch bei der Polizei sehen. Ein Ruck geht durch sein Bewusstsein, ein Begreifen dessen, was für mich die Wahrheit ist. Und mit dem nächsten Schwall seines Blutes lässt Daniel Frey mich in seine Seele blicken.
Kapitel 28
I ch lasse meinen Kopf an die Kopfstütze sinken und lecke mir das Blut aus den Mundwinkeln. Ich bin entsetzt über mich, und ich schäme mich. Ich habe mich in Frey geirrt. Noch immer kribbelt mein ganzer Körper von seinem frischen Blut. Als ich einen Blick zu ihm hinüberwerfe, lehnt auch er sich im Sitz zurück und hebt die Hand zum Hals. Doch nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, empfindet er wohl nicht dasselbe wie ich.
»Keine Sorge«, sage ich und klinge sogar in meinen eigenen Ohren verlegen. »Ich habe keine Spuren hinterlassen.«
Zum ersten Mal sehe ich mit eigenen Augen, wie er die Klauen einzieht. »Warum hast du mich nicht aufgehalten?«
Ein bitteres Lächeln verzerrt seine Mundwinkel, doch seine Augen blicken kalt. »Glaub mir, nur noch ein Augenblick, und ich hätte dich aufgehalten.« Er zupft an seinem zerrissenen Hemdkragen. »Und es ist nicht mein Hals, um den es mir leidtut. Du hast mein Lieblingshemd von Perry Ellis ruiniert.«
»Ich kaufe dir ein neues.«
Dann herrscht eine Weile Schweigen. Er bricht es schließlich, indem er sich auf dem Sitz zu mir herumdreht und fragt: »Warum hast du mich nicht einfach nach Boston gefragt?«
Ich spüre, wie ich rot werde. »Das hätte ich tun sollen. Tut mir leid.«
Dann stoße ich die Luft aus. »Der Zusammenhang kam mir nur so eindeutig vor – erst die Morde in Boston, und jetzt hier.« Doch bevor ich mich meinen anderen Sorgen zuwenden kann, trifft mich eine Erkenntnis, die wie eine Schockwelle durch meinen Körper läuft.
Ich höre Frey nicht mehr in meinem
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