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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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ein paar Sachen. Ich war nur zwei Minuten weg, aber als ich den Fechtraum wieder betrat, war es dort bitterkalt geworden. Joe und Esmeralda schaukelten leise hin und her.
    »Annie Ward?«, fragte ich.
    Keine Antwort. Aber ich spürte einen Druck auf meinen Schläfen und eine, wenngleich noch schwache, Anwesenheit. Mit einem Blatt Papier in der Hand und einer Tüte Salz in der Tasche blieb ich in einigem Abstand zu dem Kettenkreis stehen.
    »Annie Ward?«, fragte ich noch einmal. »Ich weiß, dass du es bist.«
    In dem Bannkreis erschien etwas silbrig Leuchtendes. Der schwache zweidimensionale Umriss eines Mädchens, er streckte sich, schrumpfte wieder, flackerte und erlosch fast.
    »Wer hat dich umgebracht, Annie?«
    Der Umriss flackerte wieder auf, aber er sprach kein Wort, so angestrengt ich auch lauschte. Der Druck in meinem Kopf wurde allmählich schmerzhaft.
    »War es Hugo Blake?«
    Keine Reaktion, zumindest keine sichtbare. Aber einen Sekundenbruchteil lang vernahm ich ein leises Gemurmel, als spräche jemand in einem entfernten Raum. Abermals lauschte ich. Mein Schädel pochte vor Anstrengung … Nein. Sie war weg. Falls sie überhaupt da gewesen war.
    Es wäre ja auch zu schön gewesen. Wenn es so einfach wäre, einen Verstorbenen zu befragen, hätten alle großen Agenten diese Kunst beherrscht. Aber nur Marissa Fittes war das gelungen, bei ihren legendären Unterhaltungen mit Geistern vom TYP DREI . Ich machte mir nichts vor. Gleich würde ich das Salz aus der Tasche holen und diesem Unfug ein Ende bereiten.
    Aber eine letzte Möglichkeit hatte ich noch.
    Ich hatte Georges Fotokopie schon in der Hand und hielt sie hinter dem Rücken verborgen. Nun zog ich sie hervor, entfaltete das Blatt und trat dicht an den Bannkreis heran. Ich hielt das Blatt so, dass der junge Blake auf den beiden Bildern in den Kreis schaute. Auf dem Porträtfoto trug er Abendanzug, Hut und Handschuhe, auf dem anderen, dem Gruppenbild am Brunnen, stand er hinter Annie Ward.
    »Hier!«, sagte ich. »War er es? War es H…«
    Ein nervenzerfetzendes Geistergeheul zerriss die Stille, ein Schrei voller Wut und Trauer traf mich und haute mich um. Ein Windstoß tobte durch den Raum, blies die Eisenketten mit Macht auseinander, bis sie einen perfekten Kreis bildeten, und traf mit Wucht die Ziegelwand. Roter Staub wirbelte auf und die beiden Strohpuppen pendelten so heftig, dass sie fast die Decke streiften. Ich war auf den Rücken gefallen und schlitterte Richtung Tür. Mein Kopf tat so weh, dass ich leise wimmerte. Als ich mich halb aufrichtete, sah ich, wie der Geist gegen den Bannkreis ankämpfte. Jedes Mal, wenn er die Ketten berührte, verdampften kleine Plasmaspritzer. Sein Umriss war grotesk verzerrt. Der Kopf war in die Länge gezogen, der Rumpf spindeldürr und abgeknickt wie ein morscher Knochen. Nichts erinnerte mehr an das blonde Mädchen. Das Geistergeheul ertönte in immer neuen Wellen, die mich taub und gelähmt zurückließen.
    Im Fallen hatte ich die Fotokopie losgelassen, aber die Salzbombe hatte ich noch in der Tasche. Ich setzte mich auf, holte aus und schleuderte sie in den Kreis.
    Plastik riss auf, Salzkörner flogen umher – und das tobende, heulende Etwas war genauso schlagartig verschwunden wie meine Kopfschmerzen.
    Ich saß benommen auf dem Boden, blinzelnd, mit offenem Mund, Haarsträhnen im Gesicht. Die beiden Strohpuppen schaukelten wie besessen hin und her, dann pendelten sie aus.
    »Aua!«, entfuhr es mir. »Das hat wehgetan.«
    »Sieht ganz so aus.«
    Lockwood und George standen in der Tür und starrten mich ungläubig an.
    »Stopp!«, sagte ich. »Sei mal still, George! Ich erklär’s euch.«
    Zwei Minuten waren vergangen, aber es war mir nicht gelungen, zu Wort zu kommen. Gut, ich hatte erst mal Wichtigeres zu tun. Sobald mein Kopf nicht mehr dröhnte, hatte ich als Erstes die Halskette aus dem Kreis geborgen. Das hört sich einfacher an, als es war, denn sie war mit einer gefrorenen Salzkruste überzogen, von der meine Fingerkuppen Blasen bekamen. Ich hatte sie wieder in ihrem Behälter verstaut, was ebenfalls leichter gesagt war als getan, wenn einen ein George Cubbins die ganze Zeit anbrüllte. Aber ich musste mit den beiden reden, und zwar schnell. Lockwood sagte keinen Ton. Er hatte rote Flecken im Gesicht und kniff die Lippen zusammen.
    Ich hob die Fotokopie vom Boden auf. »Ich habe nur nachgeholt, was wir schon längst hätten versuchen sollen. Ich habe Annie Ward diese Bilder gezeigt. Wer ist darauf

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