Löcher: Die Geheimnisse von Green Lake (Gulliver) (German Edition)
nächsten hundert Jahre graben – finden werdet ihr doch nichts.«
Linda packte Kate an den Haaren und riss ihren Kopf zurück. »Umbringen werden wir dich nicht«, sagte sie, »aber wenn wir mit dir fertig sind, dann wirst du dir wünschen, du wärst tot.«
»Das wünsche ich mir schon seit zwanzig Jahren«, sagte Kate.
Sie zerrten sie aus dem Bett und stießen sie vors Haus. Sie trug einen blauen Seidenpyjama. Ihre mit Türkisen besetzten schwarzen Stiefel blieben neben ihrem Bett stehen.
Sie banden ihr die Beine locker zusammen, so dass sie zwar laufen, aber nicht wegrennen konnte. Sie ließen sie barfuß über den heißen Sand gehen.
Sie erlaubten ihr nicht, stehen zu bleiben.
»Erst wenn du uns zu der Beute geführt hast«, sagte Trout.
Linda schlug Kate mit der Schaufel von hinten gegen die Beine. »Früher oder später bringst du uns doch hin. Dann kannst du es geradeso gut auch früher tun.«
Sie lief erst hierhin, dann dorthin, bis ihre Füße schwarz und voller Blasen waren. Wann immer sie stehen blieb, stieß Linda sie mit der Schaufel vorwärts.
»Langsam verliere ich die Geduld«, drohte Trout.
Kate fühlte die Schaufel im Rücken, bevor sie auf den harten Erdboden fiel.
»Steh auf!«, befahl Linda.
Kate rappelte sich mühsam auf.
»Heute haben wir es noch gut mit dir gemeint«, sagte Trout. »Aber es wird jeden Tag schlimmer werden, so lange, bis du uns zu der Stelle führst.«
»Vorsicht!«, schrie Linda.
Eine Eidechse machte einen Satz auf sie zu. Kate sah ihre großen roten Augen.
Linda versuchte mit der Schaufel nach dem Tier zu schlagen und Trout feuerte einen Schuss ab, aber keiner von beiden traf.
Die Eidechse landete auf Kates nacktem Knöchel. Ihre scharfen, schwarzen Zähne gruben sich in ihr Bein. Die weiße Zunge schleckte die Blutstropfen auf, die aus der Wunde tropften.
Kate lächelte. Jetzt konnten sie ihr nichts mehr anhaben. »Fangt an zu graben!«, sagte sie.
»Wo ist es?«, kreischte Linda.
»Wo hast du es vergraben?«, herrschte Trout sie an. Kate Barlow starb lachend.
Teil Zwei
Das letzte Loch
29
Das Wetter änderte sich.
Zum Schlechteren.
Die Luft wurde unerträglich feucht. Stanley war schweißgebadet. Wassertropfen rannen am Griff seiner Schaufel hinab. Es war fast, als hätte die Temperatur eine solche Höhe erreicht, dass die Luft selbst schon schwitzte.
Das Echo eines Donners hallte über den leeren See.
Weit drüben im Westen, hinter den Bergen, gab es ein Gewitter. Nach Stanleys Zählung vergingen mehr als dreißig Sekunden zwischen Blitz und Donner. So weit entfernt war das Gewitter. Über Ödland kann der Schall sehr große Entfernungen zurücklegen.
Normalerweise konnte Stanley die Berge um diese Tageszeit nicht sehen. Das war sonst immer nur möglich, wenn die Sonne gerade aufging, bevor der Dunstschleier aufzog. Jetzt jedoch war der Himmel im Westen ganz dunkel, und jedes Mal, wenn ein Blitz aufleuchtete, zeichnete sich für einen Moment die dunkle Silhouette der Berge ab.
»Komm schon, Regen!«, brüllte Deo. »Hierher!«
»Vielleicht gießt es ja so, dass der ganze See voll wird«, meinte Torpedo. »Dann können wir schwimmen gehen!«
»Vierzig Tage und vierzig Nächte«, sagte X-Ray. »Vielleicht sollten wir lieber schon mal anfangen, eine Arche zu bauen. Denkt dran – von jedem Tier zwei!«
»Klar«, sagte Zickzack, »zwei Klapperschlangen, zwei Skorpione, zwei gelb gefleckte Eidechsen.«
Durch die Feuchtigkeit, vielleicht auch durch die Elektrizität, die in der Luft lag, sah Zickzacks Kopf noch wilder aus als sonst. Sein krauses blondes Haar stand fast senkrecht hoch.
Ein weitgespanntes Netz aus Blitzen erhellte den Horizont. In diesem Moment schien es Stanley, als sähe er eine ungewöhnliche Felsformation auf einem der Berggipfel. Der Gipfel sah für ihn so aus wie eine riesige Faust, aus der der Daumen senkrecht in die Höhe ragte.
Dann war das Bild auch schon verschwunden.
Und Stanley war sich nicht sicher, ob er es gesehen hatte oder nicht.
»Ich habe auf Gottes Daumen Zuflucht gefunden.«
Das hatte sein Urgroßvater angeblich gesagt, nachdem Kate Barlow ihn ausgeraubt und in der Wüste zurückgelassen hatte.
Niemand kam je dahinter, was er damit gemeint hatte. Als er es sagte, war er im Delirium.
»Aber wie konnte er drei Wochen lang ohne Essen und ohne Wasser überleben?«, hatte Stanley seinen Vater gefragt.
»Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei«, hatte sein Vater geantwortet. »Ich war damals noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher