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Löcher: Die Geheimnisse von Green Lake (Gulliver) (German Edition)

Löcher: Die Geheimnisse von Green Lake (Gulliver) (German Edition)

Titel: Löcher: Die Geheimnisse von Green Lake (Gulliver) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Sachar
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geboren. Auch mein Vater war damals noch nicht auf der Welt. Meine Großmutter, deine Urgroßmutter, war Krankenschwester in dem Krankenhaus, in dem er behandelt wurde. Er hat uns immer wieder erzählt, wie sie seine Stirn mit einem kalten, nassen Tuch gekühlt hat. Er sagte, deswegen habe er sich in sie verliebt. Er hielt sie für einen Engel.
    »Einen echten Engel?«
    Sein Vater wusste es nicht.
    »Und als es ihm wieder besser ging? Hat er nie gesagt, was er mit Gottes Daumen meinte, oder erzählt, wie er überlebt hat?«
    »Nein, er hat immer nur auf seinen Vater geschimpft, diesen Tunichtgut und Schweinedieb. Der sei an allem schuld gewesen.«
    Das Gewitter zog weiter nach Westen und nahm alle Hoffnung auf Regen mit sich. Doch das Bild der Faust mit dem Daumen vergaß Stanley nicht. Nur war es so, dass für ihn das Licht nicht von dem Blitz gekommen war, der hinter dem Daumen aufflammte, sondern aus dem Daumen selbst, gerade so, als wäre er der Daumen Gottes.

30
    Am nächsten Tag hatte Zickzack Geburtstag. Behauptete er wenigstens. Als alle schon auf dem Weg nach draußen waren, lag Zickzack noch in seiner Koje. »Ich darf heute ausschlafen, ich hab nämlich Geburtstag.«
    Kurz darauf quetschte er sich vor Torpedo in die Schlange vor dem Tisch, an dem das Frühstück ausgegeben wurde. Torpedo wollte ihn nach hinten schicken. »Ich hab Geburtstag!«, sagte Zickzack und blieb, wo er war.
    »Du hast überhaupt nicht Geburtstag!«, sagte Magnet, der hinter Torpedo stand.
    »Und ob!«, sagte Zickzack. »Am achten Juli!«
    Stanley stand hinter Magnet. Er hatte keine Ahnung, was für ein Wochentag heute war, vom Datum ganz zu schweigen. Es konnte schon sein, dass es der achte Juli war, aber woher wollte Zickzack das wissen?
    Er versuchte sich auszurechnen, wie lange er jetzt schon in Camp Green Lake war, ob es vielleicht tatsächlich der achte Juli sein konnte. »Also«, sagte er laut, »ich bin am vierundzwanzigsten Mai hergekommen, das wären dann –«
    »Sechsundvierzig Tage«, sagte Zero.
    Stanley war erst dabei zu überlegen, wie viele Tage der Mai und der Juni eigentlich hatten. Er schaute Zero an. Wenn es um Zahlen ging, das hatte er inzwischen begriffen, gab es keinen Grund, an Zeros Worten zu zweifeln.
    Sechsundvierzig Tage. Seinem Gefühl nach waren es eher über tausend. An seinem ersten Tag hatte er kein Loch gegraben und heute hatte er noch keins gegraben. Also hatte er vierundvierzig Löcher gegraben – falls heute wirklich der achte Juli war.
    »Kann ich heute zwei Päckchen Saft haben?«, fragte Zickzack Mr. Sir. »Ich hab nämlich Geburtstag.«
    Zum großen Erstaunen aller bekam er tatsächlich zwei.
    Stanley hieb die Schaufel in die Erde. Loch Nummer 45. »Das fünfundvierzigste Loch ist das schwerste«, sagte er sich. Aber eigentlich war das nicht wahr und das wusste er auch. Er war viel kräftiger als damals, als er ankam. Sein Körper hatte sich irgendwie an die Hitze und die rauen Bedingungen gewöhnt.
    Mr. Sir enthielt ihm auch nicht länger das Wasser vor. Nachdem er etwa eine Woche lang mit weniger Wasser auskommen musste, hatte Stanley jetzt das Gefühl, mehr als genug Wasser zu haben.
    Natürlich war es ihm schon eine Hilfe, dass Zero ihm jeden Tag einen Teil seines Loches grub, aber eine so große Hilfe, wie jeder dachte, war es auch wieder nicht. Er fühlte sich immer ein bisschen ungemütlich, wenn Zero für ihn grub, und wusste nicht, was er mit sich anfangen sollte. Meistens stand er erst eine Weile herum, bevor er sich irgendwann ein Stück abseits auf den harten Erdboden setzte und sich die Sonne auf den Kopf knallen ließ.
    Immerhin war es besser als graben zu müssen. Aber auch nicht viel besser.
    Als die Sonne aufging, hielt Stanley Ausschau nach dem Daumen Gottes. Die Berge waren wenig mehr als dunkle Schatten am Horizont.
    Es kam ihm so vor, als könne er einen Punkt ausmachen, an dem vom Gipfel eines Berges etwas aufzuragen schien, aber besonders eindrucksvoll war das nicht. Kurze Zeit später waren die Berge nicht mehr zu sehen. Sie waren verschwunden hinter dem gleißenden Licht der Sonne, das die staubige Luft reflektierte.
    Es konnte ja durchaus sein, dämmerte ihm, dass sein Urgroßvater irgendwo hier in der Gegend von Kate Barlow ausgeraubt worden war. Falls es tatsächlich ihre Lippenstifthülse war, die er gefunden hatte, musste sie ganz in der Nähe gelebt haben.
    Zero löste ihn vor der Mittagspause ab. Stanley kletterte aus seinem Loch und Zero kletterte

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